Das Meer in seinen Augen (German Edition)
seine Hose hinunterrutschen. »Aber ich würde sagen, dass es im Eifer des Gefechts passiert ist.«
»Was denn für ein Gefecht?«, rief Merlin laut. In seinem Inneren formte sich das Bild von Paolo, der mit seiner Mutter Sex hatte. Nein, daran wollte er jetzt absolut nicht denken.
Paolo schien seine Gedanken zu lesen. »Wir hatte eine heiße, anregende ...« Er machte eine lange Pause, dann beendete er seinen Satz endlich mit: »Diskussion.«
Merlin hatte seine Zähne fest aufeinandergebissen. Jetzt ließ er langsam locker. »Du hast sie geschlagen«, flüsterte er.
»Ja«, sagte Paolo knapp. »Können wir jetzt anfangen?«
»Arschloch!« Merlin sprang vom Bett runter. »Du bist ein widerliches Arschloch!«
Paolo grinste. »Da sind nicht alle deiner Meinung.«
Merlin hielt inne. Etwas in Paolos Blick sagte ihm, dass er wachsam sein musste. »Was meinst du?«
»Nichts.« Paolo zwinkerte. »Ach, habe ich dir schon gesagt, dass David heute seinen Vertrag unterschrieben hat? Die Unterschrift von seinem Vater hat er auch schon bekommen.«
Plötzlich fühlte sich Merlin, als wären seine Innereien durcheinandergeraten. »Was hast du mit ihm angestellt?«, rief er aufgebracht. »Hast du ihm auch eins reingehauen, oder was?«
Paolo lachte. »Ich hab dir gerade gesagt, dass er bei mir arbeiten wird und dass seine Eltern einverstanden sind. Wieso sollte ich ihn schlagen.« Er machte eine Pause bevor er fortfuhr. »Ich bin nicht das Ekel für das du mich hältst. David zumindest mag mich.«
»Das glaube ich kaum.«
»Du hast einen guten Geschmack, was Jungs angeht.«
Merlin suchte in Paolos Augen einen Hinweis, dass er bluffte, aber er fand nichts. Plötzlich lag alles so klar auf der Hand. Paolo hatte David umgarnt, wie er es anfangs auch bei ihm gemacht hatte, dachte Merlin. Wahrscheinlich war es nicht mal schwierig gewesen, immerhin hatte er selbst David mit Paolo betrogen. Warum sollte nicht auch er?
»Du bist ...«, fing Merlin an, brach aber ab.
»Geil?«, beendete Paolo den Satz und schubste Merlin aufs Bett zurück.
Merlin versuchte sofort wieder aufzuspringen, aber Paolo warf sich einfach auf ihn. Das Gewicht drückte ihm die Luft aus den Lungen. Dann spürte er Paolos Hände unter dem Shirt, seine Lippen auf dem Mund und seine Zunge, die sich langsam einen Weg hinein suchte.
104
Als David wieder aufwachte, fühlte er sich kein Stück besser. Er hatte die Hoffnung gehabt, dass die Welt nach einem kurzem Schlaf anders aussehen würde. Aber das Gegenteil war der Fall. Ihm fiel wieder ein, dass er in Gegenwart seiner Mutter tatsächlich das Wort ›ficken‹ benutzt hatte. Wenn das nicht eine Premiere war. Vor seinem inneren Auge sah er noch mal ihren Gesichtsausdruck, bevor sie ihn geschlagen hatte. Das war definitiv einer der peinlichsten Höhepunkte in ihrer Beziehung, und David schämte sich dafür. Wie hatte er sich vor seiner Mutter dazu hinreißen lassen können? Er rieb sich über die Augen und stand auf. Erleichtert stellte er fest, dass sie beim Verlassen des Zimmers wenigstens die Tür geschlossen hatte. Momentan fühlte er sich alles andere als in der Lage, seiner Mutter ins Gesicht zu gucken. Er fühlte sich vielmehr nach einem Sprung aus dem Fenster, um all das hier ein für alle Mal zu beenden. Aber dazu befand sich sein Fenster glücklicherweise ein wenig zu nah am Boden, als dass er diese Möglichkeit tatsächlich in Betracht ziehen wollte.
Sein Kopf schmerzte, aber er verspürte kein Schwindelgefühl. Das war doch schon mal was. Wenn er jetzt noch den Rest des Tages in seinem Zimmer verbrachte - oder am Besten gleich die ganze restliche Woche - dann bestand noch Hoffnung. Allerdings glaubte er nicht ernsthaft, dass seine Eltern ihn wirklich in Ruhe lassen würden. Ganz bestimmt würde seine Mutter die neueste Entwicklung zwischen ihm und Merlin und vor allem zwischen ihm und ihr weitertragen, bis sein Vater gezwungen war, auch noch mal ein ernstes Wort an ihn zu richten. Das versprach ein wirklich netter Abend zu werden. David seufzte bei dieser Vorstellung. Resigniert setzte er sich auf seinen Drehstuhl und schob sich an das Fenster heran. Seine Hände griffen automatisch nach dem Fernglas, das er hinter seinem Regal versteckt hatte. Vielleicht konnte er sich seinen Tag damit weniger langweilig gestalten, dachte er bitter. Dann fiel ihm ein, wie unpassend dieser Gedanke letztlich war. Immerhin hatte er dafür gesorgt, dass heute Abend ihm Nachbarhaus garantiert keine Langeweile
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