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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Und weil Roland ziemlich übel zugerichtet war, habe ich eben seine Rettung in die Hand genommen. Ein bisschen.«
    »Ein … bisschen?« Der alte Mann schmunzelte.
    »Ein kleines bisschen«, sagte Tiffany rasch.
    »Und warum bitteschön habe ich damals nichts davon erfahren?«, fragte der Baron.
    »Weil Sie der Baron sind«, lautete die simple Antwort. »Und weil Jungen mit Schwertern die Mädchen retten. So steht es in den Büchern. So funktionieren die Geschichten. Keiner wollte es für möglich halten, dass es andersherum auch gehen könnte.«
    »Hast du dich darüber geärgert?« Er sah sie mit unverwandtem Blick an, fast ohne zu blinzeln. Lügen war zwecklos.
    »Ja«, antwortete sie. »Ein bisschen.«
    »Ein großes bisschen?«
    »Ja, doch. Das könnte man sagen. Aber dann bin ich in die Berge gegangen, um das Hexenhandwerk zu erlernen, und von da an war es mir nicht mehr so wichtig. Das ist die ganze Wahrheit. Entschuldigen Sie, gnädiger Herr, aber wer hat Ihnen das verraten?«
    »Dein Vater«, antwortete der Baron. »Und ich bin ihm dankbar dafür. Er hat mir gestern seine Aufwartung gemacht, nachdem ich ja nun, wie wir beide wissen, nicht mehr lange zu leben habe. Was übrigens ebenfalls eine Wahrheit ist. Und untersteh dich, ihm deswegen Vorwürfe zu machen, junge Dame – Hexe hin oder her. Versprichst du mir das?«
    Tiffany wusste, wie sehr ihr Vater darunter gelitten hatte, dass sie so lange verkannt worden war. Ihr selbst hatte es nie viel ausgemacht, aber ihn belastete es umso mehr.
    »Ja, gnädiger Herr. Versprochen.«
    Schweigend starrte der Baron sie einen Augenblick an. »Fräulein Tiffany Weh, deines Zeichens Hexe, wie man gar nicht oft genug wiederholen kann, ich bin in meinem Leben an dem Punkt angekommen, wo zwar mein Blick trübe geworden ist, ich aber mit dem Verstand weiter sehen kann, als man meinen sollte. Vielleicht ist es noch nicht zu spät für mich, das Unrecht, das dir geschehen ist, wiedergutzumachen. Unter meinem Bett steht eine messingbeschlagene Truhe. Mach den Deckel auf. Na, los doch! Geh schon!«
    Die Truhe war so schwer, als wäre sie mit Blei gefüllt. »Du findest darin einige Lederbeutel«, sagte der alte Mann hinter ihr. »Nimm einen heraus. Er enthält fünfzehn Dollar.« Der Baron hustete. »Zum Dank dafür, dass du meinen Sohn gerettet hast.«
    »Das kann ich wirklich nicht an…«, begann Tiffany, aber der Baron stieß energisch seinen Stock auf den Boden.
    »Mund zu und Ohren auf, bitte, Fräulein Tiffany Weh. Als du gegen die Elfenkönigin gekämpft hast, warst du noch keine Hexe. Folglich gilt die alte Tradition in diesem Fall nicht, dass eine Hexe kein Geld annehmen darf.« Seine Augen funkelten wie Saphire. »Wenn ich mich nicht irre, wirst du für die persönlichen Dienste, die du mir erweist, in Naturalien wie Lebensmitteln, sauberen, gebrauchten Leintüchern, getragenem Schuhwerk und Feuerholz entlohnt. Wir haben uns doch hoffentlich nicht lumpen lassen? Ich habe meine Haushälterin ausdrücklich angewiesen, nicht zu knausern.«
    »Wie bitte? Oh, nein, nein, alles bestens, gnädiger Herr.« Und es traf zu. Die Welt der Hexen bestand tatsächlich aus abgelegten Kleidungsstücken, ausrangierten Betttüchern (für Verbände ideal), noch nicht völlig durchgelaufenen Stiefeln und natürlich aus Weitervererbtem, Weiterverteiltem, Weitergegebenem, Weitergereichtem und Weitergeschenktem. In einer solchen Welt war eine gut bewirtschaftete Burg genauso viel wert wie in einer anderen der Schlüssel zum Münzamt. Aber was den Beutel mit dem Geld anging … Sie drehte ihn hin und her. Er war sehr schwer.
    »Was fängst du mit dem ganzen wertlosen Plunder eigentlich an, Fräulein Tiffany Weh?«
    »Was?«, sagte sie abwesend, den Blick noch immer auf das Säckchen geheftet. »Ach so. Den tausche ich ein, oder ich gebe ihn an Leute weiter, die noch Verwendung dafür haben. So etwas in der Richtung.«
    »Fräulein Tiffany Weh, du drückst dich mit einem Mal etwas vage aus. Mir scheint, dich beschäftigt der Gedanke, dass fünfzehn Dollar keine sonderlich hohe Belohnung dafür sind, dass du dem Sohn des Barons das Leben gerettet hast, nicht wahr?«
    »Nein!«
    »Darf ich das als ein Ja verstehen?«
    »Sie werden das als ein Nein verstehen, gnädiger Herr! Ich bin Ihre Hexe!« Schwer atmend funkelte sie ihn an. »Außerdem versuche ich hier gerade, einen ziemlich schwierigen Ball Schmerzen auszubalancieren.«
    »Ganz die Enkelin von Oma Weh. Ich bitte dich untertänigst um

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