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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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erinnern. Es mussten diese Schlupfwörter gewesen sein! Frau Prust nickte freudig, und in Tiffanys Kopf blinkte ein weiteres kleines Schlupfwort auf, das » ja « hieß.
    Laut sagte Frau Prust: »Herr Kommandeur, es ist doch anscheinend kein tatsächlicher Schaden entstanden, wenn man sieht, dass Herr Rammbär mit dem Königsrücken offensichtlich das Geschäft seines Lebens macht und vermutlich alles andere als erfreut wäre, wenn er den Königskopf zurückbekommen würde.«
    »Worauf Sie Gift nehmen können!«, bekräftigte der Wirt, während er seine Einnahmen in einen Sack schaufelte.
    Kommandeur Mumm runzelte die Stirn, und Tiffany hörte die Worte, die ihm fast herausgeschlüpft wären: »Solange ich hier zu bestimmen habe, kommt mir kein König wieder zurück!«
    Frau Prust ergriff erneut das Wort. »Vielleicht könnte man es einfach auf des Königs Nacken umtaufen«, schlug sie vor. »Auf den Nacken eines Königs, der allem Anschein nach unter Schuppen, fettigen Haaren und einem dicken, eitrigen Geschwür leidet.«
    Zu Tiffanys Belustigung verzog der Kommandeur zwar noch immer keine Miene, aber das Schlupfwort, das zu ihr herüberschwappte, war ein schmetterndes, triumphierendes » Jawoll! «. Woraufhin sich Frau Prust abermals einmischte, denn ihr war jedes Mittel recht, den Sieg endgültig unter Dach und Fach zu bringen. »Das hier ist Ankh-Morpork, Herr Mumm. Wo der Fluss im Sommer Feuer fängt und es bekanntlich sogar schon Fische und Bettgestelle geregnet hat. Wieso sollte es also nicht zu uns passen, wenn sich eine Kneipe um die eigene Achse dreht? Vor allem, weil dasselbe bei ihrer Kundschaft ja auch des Öfteren vorkommt? Wie geht es übrigens Ihrem Jungen?«
    Diese unschuldige kleine Frage verschlug dem Kommandeur erst einmal die Sprache. »Ach! Er … ach, ich … Es geht ihm gut. Doch, ja, gut geht es ihm. Sie hatten übrigens Recht. Nach einem Glas Brause und einem kräftigen Bäuerchen war alles wieder in Ordnung. Könnte ich kurz unter vier Augen mit Ihnen reden, Frau Prust?« Der Blick, den er Tiffany zuwarf, brachte deutlich zum Ausdruck, dass er auf ihr Augenpaar gern verzichten konnte. Also schob sie sich weiter durch die heitere, stellenweise auch stark angeheiterte Menge von Menschen, die allesamt Schlange standen, um sich vor dem Königsnacken porträtieren zu lassen. Sie machte sich unsichtbar und hörte dabei zu, wie Rob Irgendwer diejenigen von seinen Männern zusammenstauchte, die gerade nichts Besseres zu tun hatten, als sich zusammenstauchen zu lassen.
    »Na schön«, sagte er. »Wer von euch Blödköppen is eigentlich auf die glorreiche Idee gekommen, ‘n echten Nacken auf das Schild zu malen? Würd man so ‘n Bild normalerweise nich ‘n bisschen aufhübschen?«
    »Das war Wullie«, antwortete der Große Yan. »Damit die Leute denken, es wär schon immer so gewesen. Er is halt doof.«
    »Der Doofe ist eben doch nicht immer der Dumme«, sagte Tiffany. Sie blickte sich um … und da war er , der Mann ohne Augen. Er ging durch die Menge, er ging durch die Menge hindurch , als ob die Menschen Geister wären, aber Tiffany sah ihnen an, dass sie seine Gegenwart spürten. Ein Mann wischte sich mit der Hand übers Gesicht, als wollte er eine krabbelnde Fliege verscheuchen. Ein anderer schlug sich selbst aufs Ohr. Doch danach waren sie … wie verwandelt. Ihre Augen verengten sich zu Schlitzen, sobald sie Tiffany erblickten, und während der geisterhafte Mann auf sie zuhielt, verdüsterten sich ihre Gesichter. Der Gestank, den er mit sich schleppte, färbte das Tageslicht grau. Es war wie auf dem Grund eines Tümpels, in dem Lebendiges seit Jahrhunderten starb und verrottete.
    Verzweifelt sah Tiffany sich um. Das umgedrehte Wirtshaus hatte Neugierige und Durstige in Scharen zusammenlaufen lassen. Jeder versuchte, irgendwie voranzukommen, aber es ging weder vor noch zurück oder sonst wohin, und dazu kamen dann auch noch die Leute mit den Bauchläden und Karren, die einem sofort etwas verkaufen wollten, wenn man irgendwo länger als zwei Sekunden stehen blieb. In der Luft lag eine bedrohliche Stimmung – nein, mehr als das. Es war Hass. Ein Hass, der sehr schnell wuchs, wie eine Pflanze nach dem Regen, und der Mann in Schwarz kam immer näher. Das machte ihr Angst. Natürlich hatte sie die Größten bei sich, aber wenn einem die Größten aus der Patsche halfen, landete man mit schöner Regelmäßigkeit postwendend in der nächsten Bredouille.
    Plötzlich bewegte sich der Boden unter

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