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Das Mitternachtskleid

Das Mitternachtskleid

Titel: Das Mitternachtskleid Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Hexen weinen nicht, und ich verlange etwas, das vermutlich noch keine Hexe je verlangt hat: Ich will eine Verhandlung. Ein ordnungsgemäßes Gerichtsverfahren. Mit Beweisen. Mit Zeugen. Damit die Leute, die etwas über mich zu sagen haben, es vor allen sagen müssen. Ich verlange eine Verhandlung mit Geschworenen von meinem Stand, das heißt, mit einer Jury aus Leuten wie mir. Und das heißt Habeas Corpus . Bitte sehr. Danke sehr.« Sie stand auf und wandte sich zur Tür, die von einem Knäuel rangelnder Wachen blockiert wurde. Sie drehte sich wieder zu Roland um und deutete einen Knicks an. »Ich gehe dann jetzt, Hochwohlgeboren. Es sei denn, Sie wären sich Ihrer Sache so sicher, dass Sie mich festnehmen lassen wollen.«
    Ungläubig starrten Roland und die Herzogin hinter ihr her, als sie zu den Wachen trat.
    »Guten Abend, Feldwebel, guten Abend, Preston, guten Abend, meine Herren. Ich will nicht lange stören. Dürfte ich vielleicht kurz vorbei? Ich gehe.« Preston zwinkerte ihr zu, als sie sich an seinem Schwert vorbeischob. Dann hörte sie nur noch, wie das Kartenhaus aus Wachen krachend in sich zusammenfiel.
    Sie ging in den Rittersaal. In dem praktisch zimmergroßen Kamin brannte ein riesiges Feuer. Ein Torffeuer. Viel Wärme bekam der Saal, in dem man sogar im Hochsommer fröstelte, nicht ab, aber direkt davor war es schön gemütlich, und wenn man schon Qualm einatmen musste, dann gab es nichts Besseres als Torfrauch, der in den Schornstein emporstieg und sich wie ein warmer Nebel um die Speckseiten legte, die darin zum Räuchern aufgehängt waren.
    Früher oder später würden die Schwierigkeiten sie wieder einholen, aber bis dahin konnte Tiffany erst einmal ein bisschen vor dem Kamin sitzen, um sich auszuruhen und bei der Gelegenheit auch mal mit sich selbst ins Gericht zu gehen. Wie hatte sie nur so dumm sein können? Wie viel Gift konnte der Tückische ihnen einträufeln? Wie viel Hetze war nötig?
    Das war das Problem mit der Hexerei: Obwohl alle die Hexen brauchten, schienen sie es zu hassen, dass sie sie brauchten. Und irgendwie verwandelte sich der Hass auf die Tatsache in Hass auf die Person. Dann fingen die Leute an zu denken: Wie kommst du dazu, solche Fähigkeiten zu besitzen? Wie kommst du dazu, solche Sachen zu wissen? Wie kommst du dazu, dir einzubilden, du wärst besser als wir? Aber Tiffany bildete sich nicht ein, etwas Besseres zu sein. Sie konnte besser hexen, das stimmte, aber sie konnte keinen Strumpf stricken, sie konnte kein Pferd beschlagen, und obwohl ihr beim Käsemachen so leicht keiner etwas vormachte, brauchte sie beim Brotbacken drei Versuche, bevor ihr ein Laib gelang, an dem man sich nicht die Zähne ausbiss. Jeder hatte irgendeine besondere Fähigkeit. Das Schlimme war nur, dass man sie manchmal nicht rechtzeitig erkannte.
    Da nichts besser staubt als Torf, war es kein Wunder, dass auf dem Boden des Kamins eine feine Staubschicht lag – in der sich urplötzlich kleine Fußabdrücke abzeichneten.
    »Raus damit«, sagte sie. »Was habt ihr mit den Wachen gemacht?«
    Ein Horde Größter landete neben ihr im Sessel.
    »Och«, antwortete Rob Irgendwer. »Ich persönlich hätt diese wandelnden Blechbüchsen ja am liebsten ausgezogen bis aufs Kettenhemd, weil sie unsern Erdhügel aufgraben wollten, aber dann hättste noch mehr Ärger gekriegt, und deswegen ham wir bloß ihre Schnürsenkel zusammengeknotet. Vielleicht denkense ja, das warn die Mäuse.«
    »Aber ihr sollt doch keinem etwas antun. Die Wachen müssen ihre Befehle befolgen.«
    »Nee, müssense nich«, sagte Rob verächtlich. »Das is keine Aufgabe fürn Krieger, nach irgendjemands Pfeife zu tanzen. Und was hättense wohl mit dir gemacht, wennse ihre Befehle befolgt hätten? Die alte Schabracke von einer Schwiegermutter hat dich die ganze Zeit mit Blicken aufgespießt, Jauche auf ihr Haupt! Hah! Die kann sich heut Abend schon mal auf ihr Badewasser freun!«
    Sein Unterton ließ bei Tiffany alle Alarmglocken schrillen. »Ihr sollt keinem etwas tun, hast du verstanden? Keinem , Rob.«
    Der Große Mann grummelte. »Schon klar, Meisterin. Ich habs mir hinter die Löffel geschrieben.«
    »Und du schwörst mir bei deiner Ehre als Größter, dass das nicht bedeutet ›hinter den Löffeln, aus dem Sinn‹, sobald ich dir den Rücken zukehre?«
    Rob Irgendwer schimpfte vor sich hin, in prasselnden Wörtern der Größtensprache, die sie noch nie gehört hatte. Sie klangen wie Flüche, und während er sie ausspie, kamen Rauch und

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