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Das mittlere Zimmer

Das mittlere Zimmer

Titel: Das mittlere Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Lempke
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Beerdigung doch durchschauen! Und doch durfte er nicht darüber reden! Allmählich bekam sie Kopfschmerzen vom vielen Nachdenken.
    Johann sagte nichts, sondern setzte sich zu ihr aufs Bett, nahm sie in den Arm und drückte sie an sich. Er roch, als wäre er gerade aus einem Schaumbad mit Zitrone und Kokosnuss gesti egen. Sie legte ihren Kopf an seine Schulter, die sich sehr warm anfühlte unter dem blaugestreiften Hemd und stark und bestens dazu geeignet, ihr für den Rest ihres Lebens Geborgenheit zu geben. Rike versuchte noch ein paar Tränen zu vergießen, aber es ging nicht.
    Sollte sie vortäuschen, ein starkes Medikament zur Beruhigung zu nehmen? Um im Lauf der nächsten Wochen mit i hrem Verhalten nicht zu viele Menschen zu irritieren?
    „Wie geht es dir? Kannst du das alles ertragen?“ , raunte Johann in ihr linkes Ohr.
    Sie klammerte sich noch fester an ihn. „Wenn ich dich nicht hätte, würde ich mich vom Dach des Krankenhauses stü rzen.“
    Er strich über ihr Haar und küsste sie auf die Schläfe. „Ich sollte dich wohl in näc hster Zeit nicht allzu oft alleine lassen. Hast du dir überlegt, was du machst, wenn du aus dem Krankenhaus kommst?“
    „Ich glaube, ich kann ... ich kann vorerst nicht ins Haus gehen“ , stammelte sie, schluchzte wenigstens einmal auf und behauptete dann mit resignierter Stimme: „Ich werde wohl erst mal in der Wohnung meiner Eltern -“
    „Ach Unsinn, kommt doch gar nicht in Frage! Du wohnst bei mir! Ich hab so viel Platz, und ich kann mich fast den ganzen Tag um dich kümmern!“ Johann schob sie ein wenig von sich fort, damit er sie ansehen konnte. „Denk nicht drüber nach, was i rgendwelche Leute sagen könnten! Das kann uns beiden doch herzlich egal sein!“
    Er hatte Recht, und natürlich widersprach Rike nicht. Sie ließ sich, kaum dass Johann gega ngen war, starke Beruhigungstabletten geben, die sie aber nicht einnahm.
    Am Wochenende bekam sie Besuch von Onkel Dietmar und Tante Monika, denen sie alles zuschob, was mit der Beerdigung zu tun hatte. Im Laufe der Woche machte sie viele Spazie rgänge durch den Park hinter der Klinik, ihrem Bein ging es immer besser, und am Wochenende nach der Beerdigung, an der sie nicht teilnahm, durfte sie probeweise das Krankenhaus verlassen.
    Johann nahm sie mit zu sich nach Hause. Als sie die blau gestrichenen Fensterläden sah, wu rde ihr eigenartig ums Herz. Einerseits freute sie sich, andererseits beschlich sie ein Unbehagen, das aus dem Nichts kam, für das sie keine Erklärung fand.
    Johann führte sie nach oben in das Zimmer, das er für sie hergerichtet ha tte. Es lag rechts von der Treppe der Küche gegenüber, war fast quadratisch und hatte ein breites Sprossenfenster, durch das man in den Garten sah. Die Wände waren in hellem Flieder gestrichen, neben den Fenstern hingen bodenlange Vorhänge in passenden Pastellfarben.
    Johann hatte aus Rikes Haus, das er anscheinend gefahrlos betreten konnte, ein paar ihrer Möbel geholt: einen Schreibtisch, einen Kleiderschrank und eine Kommode. Das alte, dunkle Eichenbett stammte aus Johanns Beständen.
    Er stellte Rikes Tasche auf dem Bett ab. „Willst du deine Sachen auspacken? Ich mache uns i nzwischen einen Kaffee“. Er ließ ein Lächeln sehen, das ihr unter die Haut ging. Das warme Lächeln eines Mannes, der sie liebte und der sie begehrte.
    Eine halbe Stunde später ließen sie sich in enger Umarmung auf Rikes Bett sinken und pr obierten vorsichtig aus, wie belastbar ihr Körper schon war. Hinterher allerdings hustete sie sich fünf Minuten lang die Lunge aus dem Leib und fühlte sich erschöpft, schwach und ausgelaugt.
    Es dauerte gute drei Stunden, bis sie sich so weit erholt hatte, dass sie den warmen Jun iabend mit Johann außer Haus verbringen konnte. Er führte sie in ein lauschiges Restaurant, weit außerhalb der Stadt an einem Bach gelegen, von mächtigen Kastanienbäumen umstanden, unter denen man sitzen konnte. Bunte Lampions hingen in den Ästen, der Bach plätscherte, Leute lachten, die Luft war sauber, ein warmer Wind streifte über Rikes nackte Arme, und sie warf Johann während des Essens immer wieder verliebte Blicke zu.
    Irgendwann kam er auf ihren Traum vom Malen zu sprechen, aber Rike meinte, dazu fe hle ihr noch die innere Ruhe, und fragte ihrerseits nach Johanns Ehefrau, mit der er vor Helga verheiratet gewesen war. Das wiederum schien ihm nicht angenehm zu sein, denn er erzählte vage etwas von einer Ingrid, die an Darmkrebs verstorben sei.
    Da

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