Das Mönchskraut
ließe? Aber deine Hände, deine Kraft, dein Wille, die Tugend, die immer noch in dir ist, könnten der Welt eine ganze Menge schenken. Du willst für deine Schuld zahlen - gut, dann zahle! Ich werde dich mit einer lebenslangen Strafe belegen, und ich verfüge, daß du dein Leben zu Ende leben sollst - möge es lange dauern! Begleiche deine Schuld, indem du den Menschen dienst, die diese Welt mit dir bewohnen. Deine guten Werke sollen deine bösen tausendfach ausgleichen. Dies ist die Strafe, die ich dir auferlege.«
Langsam und verwundert hob Meurig den Kopf, weder erleichtert noch froh, nur maßlos verwirrt. »Meinst du es ernst?
Das soll ich tun?«
»Das mußt du tun. Lebe weiter, mach deine Sünden wieder gut, und wenn du einem Sünder begegnest, denk an dein eigenes Vergehen. Und wenn du mit Unschuldigen zu tun hast, achte sie und setz deine ganze Kraft ein, um ihnen zu dienen.
Tu Gutes nach bestem Wissen und Gewissen und überlaß Gott alles andere. Könnten Heilige noch mehr vollbringen?«
»Sie werden mich suchen«, erwiderte Meurig zweifelnd. »Du wirst mir nicht vorwerfen, ich hätte dich enttäuscht, wenn sie mich festnehmen und aufhängen?«
»Sie werden dich nicht fangen. Morgen wirst du weit weg sein. Im Stall nebenan steht ein Pferd - das Tier, das ich heute geritten habe. In dieser Gegend kann man leicht Pferde stehlen, das ist ein uraltes Spiel. Aber dieses wirst du nicht stehlen, ich schenke es dir und übernehme die Verantwortung dafür. Auf dem Rücken eines Pferdes läßt sich die ganze Welt erobern, wenn ein reuiger Sünder Schritt für Schritt durchs Leben geht, auf dem Weg zur ewigen Gnade. An deiner Stelle würde ich noch vor Tagesanbruch so weit wie möglich in den Westen reiten. Dann wende dich nach Norden, nach Gwynedd, denn dort kennt man dich nicht. In diesen Bergen hier findest du dich besser zurecht als ich.«
»O ja, hier bin ich zu Hause.« Kindliches Staunen hatte das Leid in Meurigs Augen verdrängt. »Und das ist alles, was du von mir verlangst?«
»Du wirst bald merken, daß es sehr viel ist, aber eins muß ich noch fordern. Wenn du in Sicherheit bist, mußt du einem Priester beichten, was du getan hast. Bitte ihn, dein Geständnis aufzuschreiben und dem Landrat von Shrewsbury zu schicken.
Nach dem, was heute in Llansilin geschehen ist, wird man Edwin freilassen - aber ich möchte, daß auch der letzte Zweifel an seiner Unschuld ausgeräumt wird.«
»Das will ich auch. Ich werde tun, was du verlangst.«
»Dann komm, du hast eine lange Pilgerfahrt vor dir. Steck ein Messer ein«, fügte Cadfael lächelnd hinzu. »Du brauchst es, um dein Brot zu schneiden und das Fleisch des Wildbrets, das du erlegen wirst.«
Es war ein seltsames Ende. Meurig erhob sich wie im Traum, erschöpft und zugleich von neuer Kraft erfüllt, als wäre ein Regen vom Himmel gefallen, um allen Kummer aus seiner Seele zu spülen, um einen Halbertrunkenen neu zu beleben und völlig zu verwandeln. Cadfael löschte die Lampe, nahm ihn bei der Hand und führte ihn in die Nacht hinaus. Draußen war es still und sternenhell, weißer Frost bedeckte die Wiesen.
Cadfael sattelte das Pferd.
»Gönn ihm erst eine Ruhepause, wenn du in Sicherheit bist.
Heute hat er mich zwar getragen, aber es war keine weite Reise. Ich würde dir das Maultier geben, weil es frisch und munter ist, aber es ist langsam, und es würde auffallen, wenn ein Waliser auf einem Maultier reitet. So, jetzt steig in den Sattel und mach dich auf den Weg. Gott sei mit dir!«
Meurig erschauerte bei diesen Worten, doch das strahlende Licht in seinen Augen erlosch nicht. Nachdem er seinen Fuß in den Steigbügel geschoben hatte, bat er demütig: »Gib mir deinen Segen. Ich werde in deiner Schuld stehen, solange ich lebe.«
Er war den Hang hinauf geritten, auf Wegen, die er besser kannte als der Mann, der ihm die Freiheit geschenkt hatte, auf Wegen, die ihn zurückführen würden in die Welt der Lebenden.
Cadfael sah ihm nur ein paar Sekunden lang nach, bevor er sich zum Haus wandte. Und während er auf die erleuchteten Fenster zuging, flüsterte er: »Nun, wenn die Wirkung deiner Läuterung verfliegt, sobald du in Sicherheit bist, so ist das mein Fehler ...« Doch er befürchtete nicht, daß er sich in Meurig getäuscht hatte, und je länger er die Entscheidung überdachte, die er getroffen hatte, desto deutlicher spürte er die tiefe Zufriedenheit, die sein Herz erfüllte.
»Du warst lange weg, Bruder«, sagte Simon, der ihn in der
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