Das Mörderschiff
brodelndes, kochendes Weiß. Gefährliche Strudel schäumten und versuchten sich ihren Weg zwischen den Inseln und der Küste zu bahnen. Wasser im Aufruhr. Im Beul nan Uamh – dem Schlund des Grabes –, zwischen den ersten beiden Inseln, sahen die brodelnden milchfarbenen Wasser wie die Flut aus, die die Stromschnellen des Mackenzie-Flusses im Frühling, wenn die Schneeschmelze eintritt, in einen riesigen Wasserfall verwandelt. Ein Paradies für einen Seemann! Nur ein Verrückter würde sein Boot in dieses Wasser führen.
Offensichtlich gab es hier ein paar solcher Idioten. Wir hatten gerade die erste Insel, Dubh Sgeir, hinter uns, als ich auf einmal zwischen den Klippen auf dem südlichen Festland einen engen Einschnitt erblickte. Eine kleine von Felsen umgebene Bucht, wenn man es überhaupt eine Bucht nennen konnte, ungefähr so groß wie zwei Tennisplätze, fast vollständig von der See eingeschlossen. Der Eingang konnte auf keinen Fall mehr als etwa zehn Meter breit sein. Ich betrachtete die Seekarte – der Name dieser Bucht war ›Kleine Hufeisenbucht‹. Nicht sehr originell, aber absolut zutreffend. In der Bucht lag ein Boot. Ein ziemlich großes. Soweit ich erkennen konnte, war es ein umgebautes Motorboot. Es lag hinten und vorn verankert in der Mitte der Bucht. Hinter der Bucht erhob sich ein kleines Plateau, das – ich konnte es nicht genau erkennen – entweder mit Moos oder Gras bewachsen war. Dahinter lag etwas, was wie ein ausgetrocknetes Flußbett aussah, hinter dem steil die Berge anstiegen. Auf dem kleinen Plateau befanden sich vier khakifarbene Zelte, an denen sich mehrere Männer zu schaffen machten.
»Das könnte es sein, nicht wahr?« sagte Williams.
»Das könnte es sein.« Aber das war ein Irrtum. Ein kurzer Blick auf den schmalen, dünnbärtigen Mann mit Brille, der auf mich zulief und mich begrüßte, als ich aus der Maschine stieg, überzeugte mich, daß das hier wirklich nicht das war, was ich suchte. Ein zweiter Blick auf die sieben oder acht bärtigen, mit Wollmänteln und Schals bekleideten Männer, die sich hinter ihm befanden und nicht etwa, wie ich gedacht hatte, arbeiteten, sondern gegen den Wind ankämpften, der ihre Zelte von dem Plateau wegzureißen drohte, gab mir Gewißheit. Dieser Haufen wäre nicht einmal in der Lage gewesen, ein Ruderboot zu kapern. Ihr Boot, wie ich sehen konnte, war am Heck beschädigt und lag auf der Steuerbordseite erheblich tiefer im Wasser.
»Hallo, hallo, hallo«, begrüßte mich der Mann mit dem dünnen Bart. »Guten Tag, guten Tag. Ich muß sagen, wir sind außerordentlich froh, Sie zu sehen!«
Ich sah ihn an und schüttelte die ausgestreckte Hand. Dann betrachtete ich das mit Schlagseite im Wasser liegende Boot und sagte milde: »Es mag schon sein, daß Sie Schiffbruch erlitten haben, aber Sie befinden sich hier durchaus in einer ungefährlichen Position. Sie sind nicht auf einer verlassenen Insel, Sie sind auf dem Festland. Hilfe wird bald kommen.«
»O ja, wir wissen genau, wo wir sind.« Er machte eine abweisende Handbewegung. »Wir sind hier vor drei Tagen vor Anker gegangen, aber bedauerlicherweise hat unser Boot während des Sturms in der Nacht ein Loch abbekommen. Höchst bedauerlich und außerordentlich ungünstig.«
»Hat es das Loch bekommen, während es hier lag? Während es genauso verankert war wie jetzt?«
»Ja.«
»Das ist Pech. Oxford oder Cambridge?«
»Selbstverständlich Oxford.« Er schien durch meine Ignoranz etwas verstimmt zu sein. »Wir sind eine gemischte geologische und marinebiologische Kommission.«
»Nun, auf jeden Fall werden Sie hier genügend Felsen und Seewasser finden«, sagte ich. »Wie groß ist denn der Schaden?«
»Eine Planke hat ein Loch bekommen und ist gesprungen. Das ist eine Sache, die wir nicht selbst reparieren können, fürchte ich.«
»Haben Sie genügend Lebensmittel?«
»Selbstverständlich.«
»Sie haben keinen Sender?«
»Nein, nur einen Empfänger.«
»Der Pilot des Hubschraubers wird sofort einen Funkspruch durchgeben und veranlassen, daß ein Schiffszimmermann und ein Ingenieur hierher geschickt werden, sobald das Wetter etwas besser ist. Auf Wiedersehen.«
Sein Kinn klappte nach unten. »Sie fliegen schon wieder weiter?«
»Wir sind auf einem Dienstflug. Gestern nacht wurde ein Funkspruch von einem sinkenden Schiff aufgefangen.«
»Ach ja, das haben wir gehört.«
»Ich dachte, daß Sie das vielleicht sein könnten und freue mich, daß dem nicht so ist. Wir haben
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