Das Monopol
Eiertanz: welche Information teilte man mit? Welche hielt man zurück? Carltons Dilemma lag darin, dass die USA offiziell gar nichts mit den russischen Diamanten zu tun haben durften. Offiziell war Carlton nie an Bord der Rossija gegangen. Offiziell hatte er sich nie an Bord der Seawolf befunden. Offiziell hatte die Seawolf die Puschkin niemals gejagt und zum Auftauchen gezwungen. Offiziell hatte es nie von Feinden gekaperte Harriers gegeben, die auf dem Weg nach Aberdeen von der US Navy abgeschossen worden waren.
Wie also sollte er das Gespräch auf die südafrikanischen Diamanten bringen?
Benedetti, der offenbar die Verlegenheit seines Besuchers bemerkte, machte den ersten Schritt. Mit typischer Vatikandiplomatie vertraute er Carlton Dinge an, die dieser bereits wusste, die gleichzeitig aber darlegten, dass die Kirche diese Informationen ebenfalls besaß.
»Die Kirche weiß über Ihre jüngsten Heldentaten Bescheid, Mr Carlton. Es ist mir eine große Ehre, Sie kennen zu lernen. Nicht nur, weil Sie mir von Mr MacLean, der ein großer Gönner der Kirche ist, so herzlich empfohlen wurden, sondern auch wegen Ihrer jüngsten Aktionen gegen die russischen Faschisten.«
Carlton war völlig verblüfft. Er versuchte es gar nicht zu verbergen. »Woher …?«
Benedetti lächelte freundlich. »Eine so alte Institution wie die Kirche überlebt nicht allein durch das Gebet. Ihr Land hat seit gut 200 Jahren mit Diplomatie zu tun. Die Kirche seit 2000 Jahren.« Wieder lächelte er. »Keine Sorge. Ich weiß ein Geheimnis zu wahren. Also dann … Ich stehe zu Ihrer Verfügung. Womit kann die Vatikanbank Ihnen dienen?«
Carlton erkannte, dass der Vatikan nicht nur über eine undurchsichtige Bürokratie verfügte, sondern auch über einen effizienten Nachrichtendienst. Er entsann sich der Rolle, die Johannes Paul II. und die mit Solidarnosc verbündeten Priester in den Achtzigerjahren bei der Nachrichtenbeschaffung gespielt hatten. Indem er Informationen und das Netzwerk der Priester nutzte sowie die Hilfe der Reagan-Regierung in Anspruch nahm, hatte der Papst das Feuer in Polen entzündet, das später die Ketten der Sowjets in Osteuropa sprengen sollte.
Carlton erkannte, dass er den Ball vor einem erfahrenen Veteranen des Vatikans niemals verstecken konnte. Also legte er seine Karten auf den Tisch.
»Vielen Dank, Eminenz. Wie Sie wissen, bin ich kein Diplomat. Im Einklang mit meinem amerikanischen Erbe werde ich mich daher kurz fassen und vollkommen ehrlich sein. Ich bin zu Ihnen gekommen, weil Ihr Name im Zusammenhang mit einem Diamantenvorrat aufgetaucht ist, der wahrscheinlich dem Vatikan gehört.«
Benedetti riss vor Überraschung die Augen auf. »Der Vatikan besitzt einen Diamantenvorrat?«
Carlton ging auf Nummer sicher. »Ja, Eminenz. Natürlich weiß ich nicht, ob dieser Bestand tatsächlich existiert. All das basiert auf Gerüchten, versteckten Andeutungen. Allerdings entwickeln Gerüchte sich selten, wenn nicht wenigstens ein Körnchen Wahrheit dahinter steckt.«
»Und wie taucht mein Name in diesem Zusammenhang auf?«
Carlton wurde noch vorsichtiger. »Sie sind Direktor der Vatikanbank und wissen daher vermutlich am besten über alle Geldtransfers innerhalb des Vatikans Bescheid. Ob die Mitarbeiter nun zu Transfers ermächtigt waren oder nicht«, fügte er noch hinzu.
»Ich verstehe.« Benedetti überlegte, tippte die Finger beider Hände leicht gegeneinander. »Dann möchte ich erst mal ein paar Dinge klarstellen. Die Vatikanbank hat mit Diamanten überhaupt nichts zu tun.« Carlton beobachtete Benedetti scharf.
Der Kardinal wählte seine Worte sorgfältig. »Die Kirche ist reich an Geschichte, Mr Carlton. Sie besitzt Ländereien. Kunstwerke. Aber wie ein Fürst aus altem Adelsgeschlecht ist auch die Kirche verarmt. Knapp an Bargeld. Die meisten Menschen wollen das natürlich nicht glauben.« Er kicherte. »Der Vatikan ist so alt und geheimnisumwittert, dass die Leute meinen, wir säßen auf Bergen von Bargeld, Goldbarren und Diamanten, die in geheimen Gewölben aufbewahrt werden. Leider sieht die traurige Wahrheit so aus, dass der Vatikan sich kaum seine Ausgaben leisten kann. Erst in den letzten Jahren hat die Vatikanbank wieder einen kleinen Gewinn erwirtschaftet. Verstehen Sie? Die Vorstellung, der Vatikan könne Diamanten erwerben, ist absurd. Wir haben nicht die Mittel dazu. Außerdem – was sollte der Vatikan mit Diamanten anfangen? Wie Sie sicher wissen, sind Diamanten keine besonders gute
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