Das Monster von Bozen
Nachdem Gemini fertig war, bereitete Vincenzo Fasciani auf den zweiten Stimmenvergleich vor. Dann gab er Mantinger den Hörer, der dieselbe Prozedur wiederholte, genauso cool und ungerührt wie zuvor Gemini.
»Haben Sie einen von beiden erkannt, Signor Fasciani?« Während er das fragte, bedeutete Vincenzo seinem Kollegen, die beiden hinauszuführen.
»Das ist schwierig. Ich habe konzentriert zugehört, habe auf alles geachtet, Stimmlage, Timbre, aber ich kann es nicht eindeutig sagen. Wenn es überhaupt einer von beiden war, dann eher der Erste. Besteht kein Zweifel, dass einer davon Ihre undichte Stelle ist?«
»Nein, Signore, ich danke Ihnen herzlich für Ihre Hilfe. Wie gesagt, Vertrauen gegen Vertrauen. Ich werde Sie exklusiv mit Informationen versorgen.« Die grundsolide Polizeiarbeit war damit beendet. Nun war es an der Zeit für den letzten Akt.
Er trat auf den Flur. »Sie können gehen, Signor Mantinger, aber Sie dürfen Bozen nicht verlassen. Kommen Sie, Marzoli, ich habe Ihnen eine Menge zu berichten. Gehen wir nebenan in die Bar. Vorher bringe ich Signor Gemini noch zurück in seine Zelle. Gehen Sie ruhig schon vor.«
Vincenzo nutzte den kurzen Weg zum Zellentrakt, um Salvatore Gemini darüber zu informieren, dass er Teil eines Plans sei, der ihn entlasten könne, sofern er unschuldig sei. Gemini versprach sofort, mitzuspielen und sich an die vorgegebenen Spielregeln zu halten. Zu Vincenzos Erleichterung verzichtete er weiterhin auf die Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes. Er schien sich sicher zu fühlen.
Wenige Minuten später saßen Vincenzo und Marzoli in einer kleinen Bar. Nachdem sie einen Espresso bestellt hatten, konnte der Ispettore seine Neugier nicht länger unterdrücken. »Ich bin sehr gespannt, Commissario, was Fasciani erzählt hat. Wessen Stimme hat er erkannt?«
Vincenzo erzählte, dass ihr Täter auch in diesem Fall clever genug war. Oder dass es doch ein Kollege sein musste. Dann weihte er Marzoli in seinen Plan ein, in jedes einzelne Detail.
Marzoli schaute Vincenzo aus ungläubigen Augen an. »Commissario, das ist kompletter Wahnsinn. Wenn was schiefläuft, können Sie Ihre Dienstmarke abgeben.«
»Zusammen mit Baroncini, denn er hat das abgesegnet.«
»Baroncini? Das hätte ich nicht für möglich gehalten.«
»Ich auch nicht, ehrlich gesagt. Aber er sucht die Wahrheit und damit die Gerechtigkeit. Dafür ist er bereit, ein außergewöhnliches Risiko einzugehen.«
»Wie gehen wir vor?«
»Ich leite alles Nötige in die Wege, Ispettore. Parallel dazu ermitteln wir weiter wie gehabt. Niemand darf etwas von unserer Aktion mitkriegen.«
28
Mittwoch, 29. Juli
» Buongiorno , ist Signora dal Monte zu sprechen?«
»Einen Moment, Commissario Bellini, ich stelle Sie durch.«
Vincenzo hatte den ganzen Vormittag damit verbracht, seinen Plan vorzubereiten und zu prüfen, ob er sich überhaupt so umsetzen ließ, wie er sich das vorstellte. Immerhin musste einiges zusammenpassen. Das Ergebnis war befriedigend. Es konnte losgehen. Er betete, dass dieses nervenaufreibende Katz-und-Maus-Spiel, das ihn auch über den Feierabend hinaus zunehmend belastete, dann endlich vorbei war. In diesem Moment belastete ihn allerdings am meisten das, was er Gianna zu sagen hatte.
»Ich freue mich über deinen Anruf, mein Vater und ich haben gerade von dir gesprochen. Wir machen samstags mit meinen Eltern eine Tour durch Mailand, mein Vater kennt wirklich alles, was der Stadtführer nicht hergibt. Er hatte zwar Termine, aber die hat er für dich abgesagt.« Trotz der Herzlichkeit ihrer Worte sprach in diesem Moment die Büro-Gianna. Sie hätte ihm ebenso gut ein Urteil verlesen können, der Tonfall wäre derselbe gewesen.
Nun fühlte sich Vincenzo umso unbehaglicher. Er spürte, wie er zu schwitzen begann. »Gianna, Schatz, ich … ich muss dir was sagen.«
»Was ist denn los mit dir? Warum stotterst du so?« Es hatte keinen Sinn, um den heißen Brei herumzureden.
»Gianna, ich befürchte, ich kann dieses Wochenende nicht kommen.« Schweigen am anderen Ende der Leitung. »Gianna? Gianna, hast du gehört, was ich gesagt habe?«
Mit einer Stimme, die in einem krassen Gegensatz zu der Hitze in Vincenzos Büro stand, antwortete sie: »Ich bin nicht taub, Vincenzo. Ich bin gespannt auf deine Ausrede.« Vincenzo erklärte ihr seinen Plan und dass er dieses Wochenende deshalb möglicherweise in Bozen verbringen musste.
Gianna war nicht bereit, Verständnis für ihren Kommissar zu zeigen. Zu
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