Das Monster von Bozen
ersparte ihm nämlich eine Menge Ärger.
Egal, jetzt gab es Wichtigeres. Er nahm eine Flasche Moretti aus dem Kühlschrank und setzte sich auf seinen Balkon.
Gemini war also verhaftet worden. Was für ein filmreifer Auftritt der Bullen! Damit war Gemini aus dem Rennen.
Was würde das für Folgen haben? Was bedeutete es für ihn? Jetzt war nur noch Schimmel übrig. Schimmel! Der konnte nie und nimmer alleine ein Unternehmen führen, abgewrackt wie der war. Kein Wunder bei der Verrückten zu Hause. Jemand musste ihm helfen, jemand musste Geminis Position einnehmen. Aber wer? Mantinger wäre einer, an den Schimmel denken könnte. Klar, Klaus war gut, sehr gut sogar, aber er war ein Luftikus, außer Bergen, Weibern und Saufen hatte der nichts im Kopf. Franco erübrigte sich, der war bald weg. Sabrina konnte er automatisch streichen, eine Frau war für eine solche Herausforderung ungeeignet. Schade, dass es nicht gern gesehen wurde, wenn Mitarbeiter untereinander ein Techtelmechtel anfingen. Sabrina war sexy. Und wie sie ihn manchmal ansah, keine Frage, sie war scharf auf ihn.
Doch darum ging es im Moment nicht, noch nicht. Wenn er es recht bedachte, kam für eine Nachfolge Geminis nur einer in Betracht, nämlich er, Franz Junghans. Er war ein perfekter Berater mit viel Erfahrung, hatte ein Prädikatsexamen, war bei den Kunden beliebt, intelligent, charmant, und er verstand eine Menge von Unternehmensführung. Er war die perfekte Besetzung. In der kommenden Woche würde er sich ganz unverfänglich mit Schimmel auf ein Bierchen treffen und ihm klarmachen, dass die SSP sich an einem entscheidenden Wendepunkt befand. Sie musste Klippen umschiffen, die sie mit ihm, Franz Junghans, als zweitem Kapitän souverän meistern würde.
Es gab nicht den Hauch eines Zweifels, dass dieses Chaos bei der SSP und Geminis unrühmlicher Abgang zugleich der Beginn seiner steilen Karriere sein würden. Er kam sich vor wie der Regisseur in einem großen Film.
***
Zum ersten Mal war die Trattoria geschlossen. Als Vincenzo den Schankraum betrat, schlug ihm eine gedrückte Stimmung entgegen. Antonia lehnte mit gesenktem Kopf an der Theke. Ihre Augen waren gerötet, sie hatte offensichtlich geweint. So hatte Vincenzo seine Mutter noch nie erlebt. Piero hielt sie im Arm und bedeutete seinem Sohn, sich zu setzen. »Antonia, bitte bring uns einen Merlot, ich rede derweil mit Vincenzo.«
»Was ist denn los, Papa?«
Er erfuhr, dass man bei Tante Erika Gebärmutterkrebs festgestellt hatte. Vincenzo war wie vor den Kopf gestoßen. »Ja, Junge, Onkel Rudolf hat uns heute angerufen. Seit dieser Nachricht ist deine Mutter am Boden zerstört.«
In diesem Moment kam Antonia mit hängenden Schultern an den Tisch und stellte geistesabwesend einen Tonkrug auf den Tisch, Gläser hatte sie vergessen. Piero stand wortlos auf und holte welche. »Du auch, Antonia?«
Seine Mutter schüttelte den Kopf. »Meine Schwester, Krebs! Warum tut mir das Schicksal das an?«
»Antonia, carissima , sei bitte nicht so pessimistisch. Denk an das, was Rudolf gesagt hat. Sie haben den Krebs früh entdeckt, es bestehen gute Heilungschancen.«
»Und wenn nicht?«
So war seine Mutter. Eine temperamentvolle, lebensfrohe Frau. Leider neigte sie in gleicher Weise dazu, sich rettungslos in Dramen hineinzusteigern.
Vincenzo war zwar erschüttert, denn er hatte seine Tante gern, aber nach dem, was sein Vater gesagt hatte, gab es gute Aussichten, dass sie wieder gesund wurde.
Ihm kam eine Idee. »Mama, was hältst du davon, wenn ich an euren Rechner gehe und zu diesem Thema recherchiere?«
Nun trat wieder ein Funkeln in Antonias Augen. »Oh ja, Vince, das wäre toll, mach das bitte!«
Mit allem, was mit PC und Internet zu tun hatte, standen seine Eltern auf Kriegsfuß. Alles Teufelswerk. Er hatte, ohne sie zu fragen, eine Homepage entwickelt, die er laufend pflegte. Gerade wegen der wechselnden Themenabende war das unverzichtbar, denn immer mehr Gäste informierten sich auf diesem Weg über interessante Angebote. Deshalb hatte er auch dafür gesorgt, dass die Trattoria in allen regionalen Suchmaschinen und bei der Touristeninformation gelistet war. Seine Eltern hätten nie eingesehen, dass man heutzutage anders für ein Lokal werben musste. Also kümmerte er sich selbst darum.
Er gab den Begriff »Gebärmutterkrebs« bei Google ein. Er stieß auf Zehntausende Einträge. Er überflog die ersten und ging lächelnd zurück an den Tisch. »Sie haben es also früh entdeckt?
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