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Das Monster von Bozen

Das Monster von Bozen

Titel: Das Monster von Bozen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Rüth
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seiner Schuld ausgehen. Eine entsprechende Außendarstellung war unverzichtbarer Bestandteil seiner Strategie.

26
     
    Montag, 27. Juli
     
    Farmer war relativ klein, ein Mann Anfang fünfzig in gepflegter Freizeitkleidung, der ernst und sehr seriös wirkte. Als Vincenzo ihn auf dem Rastplatz Augsburg-Ost traf, fiel es ihm nicht schwer, sich ihn als Beamten einer europäischen Aufsichtsbehörde vorzustellen. Kein Wunder, dass ihm niemand misstraut hatte.
    Farmer hatte ihm ein Paket mitgegeben, das jetzt noch ungeöffnet vor ihm und Marzoli auf seinem Schreibtisch lag. Vorsichtig, als würde er etwas Wertvolles und Zerbrechliches auspacken, schnitt Vincenzo das Paketband auf. Ganz oben lag ein Umschlag mit einem Anschreiben von Farmer und einer Reihe von Fotos. Vincenzo hatte zwar geahnt, wen er auf den Fotos sehen würde, aber nicht, unter welchen Umständen. »Schauen Sie sich das an, Marzoli. Jetzt verstehe ich gar nichts mehr. Ah, warten Sie, hier ist noch ein Umschlag, ein weiterer Brief von Farmer. Er erläutert die Fotos. Ich lese vor:
    Auf den Fotos sehen Sie seine Jacht in Saint Tropez, sein Haus und seinen Sportwagen. Diesen Luxus muss er mit dem unterschlagenen Geld finanziert haben. Entdeckt habe ich das alles, weil ich ihn nach meinem Besuch als Finanzinspekteur beschattet habe. Es war reiner Zufall. Ich hätte genauso gut zunächst Schimmel observieren können, aber ich habe auf Anhieb den Richtigen erwischt. Für mich stand außer Frage, dass der Täter aus dem Kölner Umfeld kommen musste. Das beschränkte meine Recherche auf Schimmel, Mantinger und Junghans. Diese Besitztümer sind natürlich kein Beweis, die Recherche, woher das Geld dafür stammt, dürfte dennoch spannend werden.«
 
    Außer den Fotos fanden sie zahlreiche Kopien von Kontoauszügen und Überweisungsträgern. Insgesamt hatten fast hundert Kunden an die IFS gezahlt, stets mit ähnlichen Verwendungszwecken. Summa summarum waren auf diese Weise mehrere Millionen Euro zusammengekommen, genug für einen solchen Lebensstil. Den letzten Beweis für die Herkunft des Geldes würde wohl die Einsicht in die IFS-Konten bringen. Damit erschien es als sicher, dass sie ihm den Betrug nachweisen konnten. Ein Beweis für die Morde war das hingegen nicht. Sie mussten darauf hoffen, dass er, wenn er wegen des Betrugs verhaftet wurde, ein Geständnis ablegen würde.
    Dass Mancini in diese Machenschaften verstrickt war, ergab sich ebenfalls aus Farmers Berichten. Und der Detektiv hatte lückenlos aufgedeckt, wie der Betrug ablief. »Das ist aufschlussreich, Ispettore. Endlich wissen wir, wie das funktioniert. Vollständig begriffen hatte ich das bis jetzt nämlich nicht. Es ist weniger kompliziert als gedacht.« Vincenzo blätterte hinter einem Registerblatt mit der Beschriftung »Ablauf der Transfers«. Dort fand er Kopien von Fördergeldanträgen, Überweisungsträgern, Kontoauszügen. »Also, wenn ich das richtig verstehe, haben die Unternehmen Fördergelder bei der Wirtschaftsförderung beantragt. Mancini hat alle Bewilligungen unterschrieben. Dann hat er ein Extraformular ausgefüllt, das nannte sich ›Krisenfonds‹. Was soll dann …«
    Er blätterte weiter und entdeckte einige Blätter, auf denen Farmer den Ablauf nochmals mit eigenen Worten erläutert hatte. »… ah ja. Vorbildlich, wie Farmer vorgearbeitet hat. Jetzt wird es ganz klar. Beispiel: Eine Firma hat eine Million Euro an Fördergeldern beantragt, eine Summe, die sich aus dem Geschäftsplan ergibt. Bekommen hat sie eine Million und noch fünfzigtausend extra. Von der Gesamtsumme hat das Unternehmen dann hunderttausend nach Liechtenstein überwiesen, also in den Fonds eingezahlt. Somit haben sich Unternehmen und Wirtschaftsförderung die Krisenrücklage geteilt. Im Unternehmen verblieben sind neunhundertfünfzigtausend Euro. Dafür hat die Firma die Sicherheit, im Krisenfall schnelle Hilfe zu erhalten. Das ist das klassische Prinzip: einer für alle, alle für einen. Das hat Mancini ihnen erklärt. Niemand hat an den Worten eines Amtsleiters gezweifelt. Meine Güte, wie simpel das ist. Simpel und genial.«
    Marzoli sah Vincenzo ungläubig an. »Wie bitte, die haben eine Million Euro bekommen, vom Staat geschenkt?«
    Vincenzo schüttelte den Kopf. »Ganz so einfach ist es nicht. Das Geld wird ja in Südtirol investiert, kommt also dem Staat auch wieder zugute, und außerdem müssen die Unternehmen erhebliche Eigenmittel einbringen. Zum anderen handelt es sich bei dem Geld

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