Das Monstrum
zuzugeben, dass er es sah? Eine ganze Menge, vermutete Anderson, aber das lag zum Teil daran, dass Etheridge eben nicht Doktor Daggett war.
Daggett hatte Peter in den ersten zehn Jahren seines Lebens mindestens zweimal jährlich gesehen … und dann natürlich, wenn der Anlass es erforderte, wie damals, als sich Peter mit einem Stachelschwein angelegt hatte, da hatte Daggett die Stacheln einen nach dem anderen entfernt, dabei die Titelmusik aus dem Film Die Brücke am Kwai gepfiffen und den zitternden einjährigen Hund mit einer großen, freundlichen Hand beruhigt. Ein andermal war Peter mit einer Kehrseite voll Vogelschrot nach Hause gehinkt gekommen – dem grausamen Geschenk eines Jägers, der entweder zu dumm gewesen war, genau hinzusehen, bevor er schoss, oder vielleicht sadistisch genug, einem Hund Leid zuzufügen, weil er kein Rebhuhn oder keinen Fasan finden konnte, dem er es zufügen konnte. Dr. Daggett hätte alle Veränderungen an Peter bemerkt und wäre nicht imstande
gewesen, sie zu leugnen, selbst wenn er es gewollt hätte. Dr. Daggett hätte seine Brille mit dem rosa Gestell abgenommen, sie an seinem weißen Kittel poliert und etwas in der Art gesagt: Wir müssen herausfinden, wo er gewesen und in was er hineingeraten ist, Roberta. Dies ist ernst. Hunde werden nicht einfach jünger, und genau das scheint Peter zu tun. Was Anderson zu der Antwort gezwungen hätte: Ich weiß, wo er gewesen ist, und ich habe eine verdammt gute Vorstellung davon, was es bewirkt hat. Und das hätte vieles von dem Druck von ihr genommen, nicht wahr? Aber der alte Doc Daggett hatte die Praxis an Etheridge verkauft, der zwar recht nett, aber dennoch immer noch so etwas wie ein Fremder war, und sich in den Ruhestand nach Florida begeben. Etheridge hatte Peter häufiger gesehen als Daggett – im letzten Jahr viermal, wie es sich ergeben hatte –, denn mit zunehmendem Alter war Peter immer anfälliger geworden. Dennoch hatte er ihn nicht so oft untersucht wie sein Vorgänger … und hatte, vermutete sie, auch nicht einen so scharfen Blick wie sein Vorgänger. Oder so viel Courage wie er.
In dem Zwinger hinter ihnen brach ein Deutscher Schäferhund plötzlich in eine Bellkanonade aus, die sich wie Hundeflüche anhörte. Andere Hunde stimmten ein. Peter stellte die Ohren auf und begann unter Andersons Hand zu zittern. Die Benjamin-Button-Methode hatte sich offenbar kein bisschen auf den Gleichmut des Beagles ausgewirkt, dachte Anderson; nachdem er seine stürmische Welpenzeit hinter sich gelassen hatte, war Peter so phlegmatisch geworden, dass man ihn beinahe als lahm bezeichnen konnte. Dieses aufgeregte Zittern war brandneu.
Etheridge lauschte den Hunden mit leichtem Stirnrunzeln – mittlerweile bellten sie fast alle.
»Danke, dass Sie uns so kurzfristig empfangen haben«,
sagte Anderson. Sie musste die Stimme heben, um gehört zu werden. Ein Hund im Wartezimmer hatte ebenfalls angefangen zu bellen – das kurze, nervöse Kläffen eines sehr kleinen Tieres … wahrscheinlich ein Spitz oder Pudel. »Das war sehr …« Ihre Stimme versagte einen Augenblick. Sie spürte eine Vibration unter den Fingerspitzen und ihr erster Gedanke
(das Schiff)
galt dem Ding im Wald. Aber sie wusste, was das für eine Vibration war. Sie hatte sie zwar sehr, sehr selten gespürt, aber es war kein Geheimnis daran.
Diese Vibration stammte von Peter. Peter knurrte sehr leise und tief in der Kehle.
»… freundlich von Ihnen, aber ich glaube, wir sollten jetzt gehen. Sieht so aus, als hätten Sie es mit einer Meuterei zu tun.« Sie hatte es als Scherz gemeint, aber es hörte sich nicht mehr wie ein Scherz an. Plötzlich war der gesamte kleine Komplex – das quadratische Gebäude aus Betonziegeln, in dem Etheridges Warte – und Behandlungszimmer lagen, und das angrenzende Rechteck aus Betonziegeln, welches seinen Zwinger und seinen Operationsraum enthielt, in hellem Aufruhr. Alle Hunde bellten; auch im Wartezimmer hatten sich ein paar andere Hunde zu dem Spitz gesellt … und ein feminines, klägliches Maunzen, das ohne Zweifel von einer Katze kam.
Mrs. Alden platzte mit besorgter Miene herein. »Dr. Etheridge …«
»Schon gut«, sagte er schroff. »Wenn Sie mich entschuldigen wollen, Miss Anderson.«
Er entfernte sich eilig und ging zuerst in den Zwinger. Als er die Tür aufmachte, schien der Lärm der Hunde sich zu verdoppeln – sie drehen durch, dachte Anderson, und für weitere Gedanken hatte sie keine Zeit, denn Peter
Weitere Kostenlose Bücher