Das Moor Des Vergessens
sie euch nicht trauen soll.« Sie stand auf, und die Fassungslosigkeit auf dem Gesicht, das sie einmal bis zur Raserei geliebt hatte, ließ sie kalt. Es tat weh, aber sie war entschlossen, nicht rückfällig zu werden. »Wiedersehen, Jake.«
»Jane«, rief er, als sie zur Tür ging. Aber er folgte ihr nicht, und sie war froh darüber, denn das bestätigte noch einmal ihre Interpretation der Lage. Er wollte nicht sie, sondern das Manuskript.
Jane stieg in den Wagen ihrer Mutter und fuhr ans östliche Ende der Stadt, wo Eddie Fairfields Cousine Letty in einer an das Haus ihres Sohnes in Chestnut Hill angebauten Wohnung lebte.
Er hatte ihr gesagt, dass Letty Beatties liebstes Enkelkind gewesen sei. Und wenn Beatrice irgendjemandem mehr über Dorcas anvertraut hätte, wäre es Letty gewesen. Jane hielt an der Ausfahrt des Parkplatzes an und wartete auf eine Lücke im Verkehr. Dabei schalt sie sich wegen ihrer Gefühlsschwankungen, statt auf ihre Stärke stolz zu sein. Ihr innerer Monolog wurde unterbrochen, als sie zu ihrer Überraschung ihren Bruder vorbeifahren sah. Sie blickte auf die Uhr im Auto. Zwanzig vor zwei. Matthew musste die Schule in der Mittagspause verlassen haben.
Jane fragte sich, was er wohl vorhatte. Der Zahnarzt der Familie hatte seine Praxis in Ambleside, der Arzt war in Grasmere. Sie konnte sich nur schwer vorstellen, was so dringend war, dass Matthew die Schule früher verlassen würde, um es zu erledigen.
Außer natürlich sein Wunsch, ihr zuvorzukommen. Sie überlegte, ob sie ihm folgen sollte, aber es war bereits zu spät. Drei weitere Wagen waren vorbeigefahren, bevor sie sich in den Verkehr einfädeln konnte, und da war er schon nicht mehr zu sehen. Leise fluchend schluckte Jane ihren Ärger hinunter und machte sich auf den Weg zu Letty. Zumindest konnte sie ziemlich sicher sein, dass Matthew nicht dort auftauchen würde, da er in die entgegengesetzte Richtung gefahren war.
Sie dachte zu diesem Zeitpunkt nicht daran, dass er schon vor ihr bei Letty gewesen sein könnte. Aber kaum über der Schwelle, hatte sie bereits einen neuen Grund, sich für die Dummheit zu verfluchen, dass sie sich die Zeit genommen hatte, mit Jake essen zu gehen. Letty schien durch ihr Kommen verwirrt zu sein. Zuerst dachte Jane, es gehe einfach um eine Verwechslung. Dann wurde ihr klar, wie es tatsächlich war: Während sie mit Jake gesprochen hatte, war Matthew bei Letty gewesen.
»So ein netter junger Mann«, sagte sie. »Ich habe ihm versprochen, ich würde ein paar Papiere heraussuchen. Ich war nicht sicher, wo sie sind, wissen Sie.«
Jane nickte und versuchte, ihre Gefühle unter Kontrolle zu halten. »Es geht um alte Familienpapiere?« »Ja, stimmt, meine Liebe. Ich dachte, sie wären in einer der Schachteln in Gavins Garage. Gavin ist mein Sohn. Das hier ist sein Haus, er hat eine Wohnung anbauen lassen, damit ich in der Nähe und trotzdem unabhängig sein könnte. Aber dann, gleich als Ihr Bruder weggegangen war, habe ich mich erinnert, dass ich ein paar Schachteln mit Familienandenken in den Schrank im leeren Zimmer gestellt habe, und als ich nachsehen ging, waren sie da. Das war Glück, oder?« Janes Herz schlug etwas schneller. Ruhig, kann ja sein, dass es nichts mit dem zu tun hat, was du suchst. »Auf jeden Fall. Darf ich vielleicht einen Blick auf die Papiere werfen? Matthew und ich, wir arbeiten bei diesem Projekt zusammen, und er könnte sich die Fahrt sparen, brauchte nicht nochmal hierher zu kommen, um sie anzusehen. Da ich ja sowieso hier bin ...?«
»Natürlich, kommen Sie mit, sie liegen auf dem Küchentisch.«
Als sie Letty in die Küche folgte, sah sie sofort ihre Beute. Ein Stoß alter vergilbter Papiere, die zu einem losen Bündel geschichtet und mit einem Bindfaden zusammengebunden waren. »Hier, meine Liebe. Sehen Sie die Unterlagen ruhig durch, ob das dabei ist, was Sie suchen. Ihr Bruder hat sich nicht klar ausgedrückt, er sagte nur, es könnten Wordsworth-Papiere von meiner Ururgroßmutter dabei sein. Ich glaube nicht, dass so etwas dabei ist, aber Sie dürfen gerne nachsehen, ob Sie etwas finden können.«
Jane setzte sich hin und löste den Bindfaden von dem Bündel. Das erste Blatt war nicht erfolgversprechend. Es war ein an Arthur Clewlow gerichteter Brief aus dem Jahr 1886, in dem ihm zur Geburt seines zweiten Sohnes, der auch Arthur hieß, gratuliert wurde. Jane überflog ihn schnell und legte ihn zur Seite. Das Nächste war ein Rezept für Rhabarberschaumcreme. Die
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