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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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atmete erleichtert auf. Diesmal würde es einfach sein.
    Sie fing in dem Schlafzimmer an, das benutzt zu werden schien. Eine gründliche Suche brachte nichts Interessantes zutage. Im zweiten Schlafzimmer die gleiche Geschichte. Im dritten aber fand Tenille eine alte messingbeschlagene Kiste, die nichts als alte Fotos zu enthalten schien. Aber als sie sie herausnahm, bemerkte sie, dass die Kiste innen nicht so tief war, wie sie hätte sein sollen. Sie wagte es, sie auf den Treppenabsatz zu tragen, schloss alle Türen und machte das Licht an. Als sie genauer hinsah, erblickte sie unten in einer Ecke eine Lederschlinge. Sie zog daran, und der Boden löste sich und öffnete ein zweieinhalb Zentimeter tiefes Geheimfach. Tenille hob ein dünnes Bündel Papiere heraus. Das Papier war dick und brüchig, an den Rändern vergilbt. Es roch nach Staub und chemischer Reinigung und war mit einer altmodischen Handschrift mit vielen Kringeln und Schnörkeln beschrieben. Zuerst konnte sie es kaum lesen. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen, und sie las die einführenden Worte. Heute Abend wurde ich an unsere Zeit in Alfoxden erinnert, wo auf Coleridge und mich der Verdacht fiel, wir seien Agenten des Feindes und sammelten als Spione Informationen für Bonaparte. Ich habe Coleridges Erklärung noch in Erinnerung, dass es gegen den gesunden Menschenverstand verstieße, zu meinen, Dichter eigneten sich für ein solches Unterfangen, da wir doch alles als Material für unsere Verse ansehen und keine Neigung dazu hätten, Geheimnisse, die unserer Berufung dienen könnten, in der Brust zu verschließen.
    Da sollten jetzt doch Pauken und Trompeten ertönen, dachte sie etwas albern. Pauken und Trompeten oder Jubelgeschrei. Das hier war es tatsächlich. Was sie in Händen hielt, war von einem der größten Dichter geschrieben worden, den die Welt je gesehen hatte. Fast niemand hatte es jemals angeschaut. Und sie durfte es berühren, daran riechen, es lesen. Sie wäre lieber gestorben, als dass sie es zugegeben hätte, aber Tenille war überglücklich. Sie setzte sich auf die Fersen zurück und verschlang gierig den Text. Sie hatte keine Ahnung, wie lange sie zusammengekauert und überwältigt dagesessen hatte. Sie war trunken vor Aufregung. Aber schließlich kam sie zu sich und begriff, dass sie mit dieser Nachricht zu Jane zurückkehren musste. Sie war in Versuchung, das ganze Manuskript mitzunehmen, wusste aber instinktiv, dass das nicht richtig wäre. Sie blätterte in den Papieren, um zu sehen, ob ein Gedicht zwischen dem Prosatext steckte. Aber nein. Sie konnte nur Notizen finden. Sollte sie eine der Seiten aus der Mitte nehmen? Dann würde Jane wissen, dass sie die Wahrheit sagte, und die ganze Mühe wäre nicht umsonst gewesen, wenn sie Janes Gesicht sehen würde, wenn diese begriff, was sie da vor sich hatte. Tenille nahm aufs Geratewohl eine Seite und steckte sie vorsichtig zwischen ihr T-Shirt und ihr Sweatshirt. Dann legte sie alles dahin zurück, wo sie es gefunden hatte, und trug vorsichtig das Kästchen genau zu der Stelle, wo es gewesen war, damit der Staub außen herum nicht verwischt wurde. Ihr war schwindelig vor Glück, als sie zum Katzenfenster zurückging.
    Die kalte Nachtluft und die Aussicht, vom Dach hinunterklettern zu müssen, ernüchterte sie. Sie schob das Fenster behutsam wieder herunter und lag jetzt mit ausgestreckten Armen und Beinen auf den Schieferplatten. Vorsichtig rutschte sie Zentimeter um Zentimeter über das Dach. Als sie den Rand erreichte, wurde ihr klar, dass sie sich auf den Boden fallen lassen musste. Die Bank war zu weit von der Mauer weg, um hinüberzukommen und wieder daraufsteigen zu können.
    Tenille war das egal. Sie kam sich unbesiegbar vor. Sie hing an der Dachrinne und ließ los. Es war nur etwas mehr als ein Meter, und sie landete sicher auf der weichen Erde. Als sie sich taumelnd aufrichtete, legten sich schwere Hände auf ihre Schultern.
    Wütend versuchte sie, sich zu befreien, aber es half nichts. Ihre Angreifer waren größer, stärker und schwerer. Innerhalb von Sekunden lag sie mit dem Gesicht auf dem Boden, und ihre Arme wurden grob nach hinten gezogen. Sie spürte kaltes Plastik auf ihrer Haut, und eine Stimme sagte: »Ich verhafte dich wegen Verdachts auf Einbruch.« Tenille verzog frustriert das Gesicht. »Ach, Scheiße.«

 
     
     
    Mein Versteck gab mir ein gewisses Gefühl der Sicherheit, was ich sehr nötig hatte, denn ich war nicht in der Lage, ein Boot zu beladen

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