Das Moor Des Vergessens
wollte, selbst wenn sie den Platz mit ihr geteilt hätten. Andererseits wollte sie sich nicht zu weit vom Busbahnhof entfernen, damit sie sich auf dem Rückweg nicht verirren und den frühen Bus verpassen würde, mit dem sie das nächste Stück der Reise zurücklegen wollte. Schließlich war sie in einer Gasse hinter einem Restaurant gelandet, eingezwängt zwischen zwei Mülltonnen, die nach fauligem Essen rochen. Sie schlief schlecht, die Nacht schien kein Ende zu nehmen.
Als Tenille sich endlich zum Busbahnhof schleppte, stellte sie sich die Frage, ob ihr Plan vernünftig war. Vielleicht sollte sie sich einfach an die nächste Polizeiwache wenden und alles zugeben. Es konnte nicht viel ungemütlicher werden als die letzte Nacht.
Aber nachdem sie ein Schinkenbrötchen gefrühstückt und eine Dose Cola dazu getrunken hatte, war ihre Entschlusskraft wieder zurückgekehrt. Sie war in den Bus gestiegen, der um 7 Uhr 22 nach Banbury ging, und war entschlossen, es nach Fellhead zu schaffen. Sie wusste nicht genau, was Jane für sie tun konnte. Aber Jane war der einzige erwachsene Mensch in der Welt, dem sie zutraute, überhaupt etwas tun zu können. Und außerdem hatte Jane ihr dieses Schlamassel eingebrockt, also war es Janes Aufgabe, sie wieder da rauszuholen.
Ich hatte mir schon oft Gedanken darüber gemacht, was für eine Art Kapitän ich wäre, sollte ich jemals das Glück haben, der Herr meines eigenen Schiffes zu sein. Und ich gestehe, dass ich auf der Reise in die Ferne oft darüber Betrachtungen angestellt hatte, wie ganz anders als mein Kapitän ich das Schiff führen würde. Aber diese Ideen in die Tat umzusetzen erwies sich als ein nicht gerade leichtes Vorhaben. Ich wusste, ich würde die Fähigkeit besitzen müssen, den Männern zu zeigen, dass mir ihr Wort am Herzen lag, dass ich ihren Respekt verdiente und es wert war, das Kommando zu führen. Ich wollte ohne Autokratie Disziplin durchsetzen und ermutigte die Männer gleich von Anbeginn an, Zusammenkünfte abzuhalten und zu besprechen, wie wir verfahren sollten. Am zweiten Tag nach der Meuterei befahl ich, dass die Oberbramsegel in Streifen geschnitten und zu Uniformen für die Mannschaft verarbeitet werden sollten, und gab meine eigene Offiziersmontur her, damit sie blau eingefasst werden konnte. Ich glaubte, dass dies die Eingeborenen beeindrucken, aber auch einen Geist der Kameradschaft und Ordnung in meiner Mannschaft hervorbringen werde. Auch beaufsichtigte ich die Verteilung des Proviants und der Habe derer, die mit Bligh weggegangen waren. Kurzum, ich versuchte, der Mann zu sein, unter dem ich selbst gern gedient hätte.
20
Matthew konnte seine Freude über Janes Abwesenheit nicht verbergen, als er mit Gabriel zu ihrem üblichen Freitagsbesuch zum Tee kam. Wenn Jane nicht da war, kam man seinen Wünschen entgegen, widersprach selten seiner Meinung, und seine Anwesenheit wurde dankbar aufgenommen, als bringe er ein kostbares Geschenk. Wofür er sich selbst natürlich sowieso vorbehaltlos hielt. Und so kam er gerne mit Gabriel zum Tee zu den Großeltern. Natürlich machten sie großes Aufhebens um den Kleinen, und Matthew sah es auch als eine Befreiung an, wenn ihm der eher banale Teil von Gabriels Betreuung abgenommen wurde. Er liebte seinen Sohn, gar keine Frage. Aber er hatte einfach keine große Lust auf die praktische Umsetzung dieser Liebe, besonders wenn es darum ging, Windeln zu wechseln und das Essen zu machen.
»Ist Jane nach London zurückgefahren?«, fragte er fast sofort, nachdem er Gabriel inmitten vieler Spielsachen auf dem Flickenteppich auf dem Küchenboden abgesetzt hatte. »Hab ich mir gedacht, dass sie sich hier bald langweilen würde.« »Sie tut alles andere als sich langweilen«, sagte Judy. »Sie macht echte Fortschritte. Gestern hat sie einen Brief im Jerwood Centre gefunden und ist gleich nach Carlisle zum County-Archiv gefahren, weil sie versuchen will, eine Frau zu finden, die für die Wordsworths gearbeitet hat.« »Zeitverschwendung«, spottete Matthew. »Aber so sind sie, diese Akademiker. Bei jedem Irrlicht, auf das sie aufmerksam werden, machen sie sich auf und davon, mit der Bewerbung für eine Projektförderung in der Hand und darauf erpicht, es an die große Glocke zu hängen.« »So ist Jane doch gar nicht«, sagte Judy, setzte sich neben Gabriel auf den Boden und kitzelte ihn am Bauch. Gabriel lachte gurgelnd und wand sich unter ihren Fingern. »Sie glaubt wirklich an ihre Arbeit.«
Matthew
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