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Das Moor Des Vergessens

Das Moor Des Vergessens

Titel: Das Moor Des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Val McDermid
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wusste, dass er auf diese Weise gut durchs Leben kam, diese Art ihm allerdings auch die kaum verhehlte Verachtung seines Vaters einbrachte. Und er wusste ebenfalls, dass das irreführend war. Unter seinem Charme besaß er eine Rücksichtslosigkeit, deren er sich selten bedienen musste, die er aber ohne Zögern einsetzte, wenn er sie brauchte. Heute allerdings, meinte er, würde er sie nicht brauchen. Selbst verkatert würde sein Charme ausreichen, so glaubte er, um eine dreiundsiebzigjährige Witwe für sich zu gewinnen. Laut der Information, die Carolines Rechercheur gefunden hatte, wohnte Edith Clewlow im Lark Cottage in Langmere Stile. Ihr Mann David, der Ururenkel von Dorcas Mason und Arnold Clewlow, war 1998 gestorben, und die Volkszählung von 2001 führte Edith als die einzige Bewohnerin des Häuschens auf. Jake hatte Edith als seine erste Zielperson ausgewählt, weil er folgerte, dass das Erbe im Allgemeinen an den erstgeborenen Sohn weitergegeben wird. Es war ganz gut, dass er auch wusste, wo Langmere Stile lag. In seinem benebelten Zustand half jede Kleinigkeit. Er war nicht gerade begeistert, dass die Fahrt dorthin ihn durch Fellhead führte, aber er plante ja nicht, dort anzuhalten. Als er losfuhr, empfand er das intensive Sonnenlicht als grausam hell. Die Sonnenbrille schien auch nicht zu helfen, und er spürte, dass die dumpfen Kopfschmerzen stärker wurden, als er an der Bergflanke hochfuhr. In Fellhead selbst war es ruhig. Die einzigen Fußgänger, an denen er vorbeikam, waren Wanderer, die sich dem ansteigenden, steil zum Grat hinaufführenden Wanderweg näherten. Eine Meile weiter stieß er auf eine Gruppe von Häuschen, und das war Langmere Stile. Vier niedrige Wohnhäuschen duckten sich an der Seite der Straße und sahen alle so aus, als könnten sie mehr Sorgfalt und Pflege vertragen, als ihre Bewohner ihnen zu geben bereit waren. Auf der kahlen Seite des Berges oberhalb der Baumgrenze, mit ungehinderter Sicht auf einen alten Steinbruch, sahen sie selbst an einem sonnigen Tag zu armselig aus, um die Wochenendpendler anzuziehen. Jake vermutete, dass sie ursprünglich für die Arbeiter im Steinbruch gebaut worden waren, die wahrscheinlich dankbar gewesen waren, ein Dach über dem Kopf zu haben.
    Als er näher kam, fuhr er langsamer und suchte die Namen der Häuschen. Bluebell, Crocus, Daffodil und Hyacinth. Jemand hatte Sinn für Humor gehabt, dachte er. Aber kein Lark Cottage. Frustriert schaute Jake sich um, als wäre noch ein Häuschen irgendwo in der kahlen Landschaft versteckt. Weiter oben, wo die Straße eine scharfe Rechtskurve machte, entdeckte er ein Stück eines Steingiebels. Als er um die Ecke kam, sah er ein einstöckiges Steinhäuschen mit frisch gestrichenen Fenstern und Türen in einem ordentlich gepflegten Garten. Lark Cottage gewährte, anders als seine Nachbarn, eine Aussicht nach Langmere hinunter und zum Helvellyn hinüber. Jake hielt ein Stück hinter dem Häuschen auf dem Seitenstreifen und ging die kurze Strecke zurück. Er steckte die Sonnenbrille in seine Hemdentasche und versuchte, seinem Gesicht einen offenen, freundlichen Ausdruck zu verleihen.
    Die Frau, die an die Tür kam, sah älter aus, als sie war. Jakes eigene Großmutter war in den späten Siebzigern und sah gut zehn Jahre jünger aus als Edith Clewlow. Schmalschultrig und vornübergebeugt mit dem typischen Osteoporose-Buckel, wandte sie ihm ihr Gesicht zu. Blasse schlaffe Haut bedeckte die Knochen eines kleinen Kopfes. Ihr silbriges Haar war kurz und so einfach geschnitten wie das eines Kindes. Aber der Blick ihrer blauen Augen hinter ihrer großen Brille mit den Bifocal-Gläsern war wach, intelligent und misstrauisch. »Mrs. Clewlow?«, sagte Jake. »Ja. Kenne ich Sie von irgendwoher, junger Mann?« Er lächelte. »Nein, Mrs. Clewlow. Mein Name ist Jake Hartnell. Ich wollte Sie fragen, ob Sie ein paar Minuten Zeit hätten?«
    »Nicht, wenn Sie irgendwas verkaufen wollen. Ich hab schon Doppelfenster, und ich mag meine Küche so, wie sie ist. Und wenn irgendwas gemacht werden muss, macht das mein Enkel Frank für mich.«
    »Das ist sehr lobenswert von ihm. Aber ich will nichts verkaufen. Es ist eigentlich genau umgekehrt. Das, worüber ich mit Ihnen reden wollte, könnte vielleicht zu Ihrem Vorteil sein.« Er versuchte, ihr einen beruhigenden Blick zuzuwerfen.
    »Es ist doch nicht eine Beteiligung an einer Ferienwohnung? Ich fahr nämlich nicht ins Ausland. Nicht seit Mavis Twiby etwas so Schreckliches in

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