Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.

Titel: Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henry Slesar
Vom Netzwerk:
ihr sich krüm­mender Körper sah ganz so aus wie eine Seele im Höllen­feuer.
    »Heiß! Heiß!« kreischte sie. »Hinterm Herd! Oh, bitte, bitte, bitte … so heiß … Kätzchen ist so heiß …« Dann sackte sie stöhnend im Stuhl zusammen.
    Tante Faith eilte zu ihr und nahm ihre dünnen Handge­lenke auf. Sie rieb sie heftig und sagte: »Du hast’s gehört, David, du hast es selbst gehört. Kannst du jetzt noch an dem Mädchen zweifeln?«
    »Ich habe überhaupt nichts gehört. Eine Menge Schreie und Seufzer und Geschwafel über Hitze. Was soll das alles bedeuten?«
    »Du bist ein störrischer Dummkopf! Das Kätzchen ist natürlich hinter dem Herd, wo du es wahrscheinlich noch als kleiner Bengel hingestopft hast.«
    Rowena zog ihn am Arm. »Wir könnten das doch he­rausfinden, oder nicht? Steht in der Küche noch der alte Herd?« »Das nehme ich an. Da gibt es zwar so eine Art Mikro­wellenherd, aber soviel ich weiß, haben sie das alte eiserne Monstrum nie rausgeworfen.«
    »Laß uns nachsehen, David, bitte!« drängte Rowena.
    Iris kam wieder zu sich. Sie blinzelte, öffnete die Augen und schaute in die sie beobachtenden Gesichter. »Ist es dort?« fragte sie. »Ist es da, wo ich gesagt habe? Hinter dem Herd in der Küche?«
    »Wir haben noch nicht nachgesehen«, sagte David.
    »Dann tut das«, befahl Tante Faith.
    David und Rowena gingen nachsehen, und es war tat­sächlich da, ein staubbedecktes Stoffkätzchen, versengt und fast zerstört in den drei Jahrzehnten, die es der Hitze und dem Verfall ausgesetzt gewesen war – aber es war da.
    David umkrampfte das alte Spielzeug mit seiner Faust, und sein Gesicht wurde weiß. Rowena sah ihn traurig an und dachte, ihn schmerze das Heimweh nach der Kindheit, aber das war nicht der Fall. Er litt Angst.
    Anfang Mai ließ der Regen nach, und es folgte eine Reihe sonniger Tage. Iris Lloyd fing an, die meiste Zeit draußen zuzubringen, wo sie sich mit der Natur oder mit ihren ei­genen rätselhaften Gedanken beschäftigte.
    David fand sie eines Nachmittags mitten in der Woche in ei­nem Gewirr von Gänseblümchen liegend. Sie war gerade da­bei, eines von ihnen in einem uralten Ritual zu zerpflücken.
    »Nun«, sagte David, »wie lautet die Antwort?«
    Sie lächelte geziert und warf das verunstaltete Gänse­blümchen fort. »Sag du mir’s, Onkel David.«
    »Spar dir den Onkel.« Er bückte sich, hob die verstüm­melte Blume auf und zupfte die verbliebenen Blütenblätter ab. »Liebt mich nicht«, sagte er.
    »Wer? Deine Frau?« Sie grinste ihn dreist an. »Du kannst mir nichts vormachen, Onkel David. Ich weiß al­les.«
    Er wollte sich abwenden, aber sie ergriff sein Fußgelenk.
    »Geh nicht weg. Ich möchte mit dir reden.«
    Er drehte sich wieder zu ihr um und kauerte sich bei ihr nieder. »Also, was ist los mit dir, Iris? Du bist jetzt schon über eine Woche lang da, und du hast noch nichts getan … du weißt schon, was. Das ist alles eine wunderschöne Landpartie für dich, was?«
    »Na klar«, sagte sie. »Glaubst du, ich will in das muffige Heim zurück? Hier gefällt’s mir besser.« Sie legte sich ins Gras zurück. »Keine Uniformen. Keine Morgengebete um sechs. Nichts von dem Mist, den sie da Essen nennen …« Sie griente. »Und viel bessere Gesellschaft.«
    »Ich nehme an, ich sollte mich jetzt bedanken.«
    »Du kannst nichts sagen, was ich nicht schon weiß.« Sie kicherte. »Hast du’s vergessen? Ich besitze übersinnliche Wahrnehmung.«
    »Ist das wirklich wahr, Iris«, fragte er beiläufig, »oder ist es irgendein Trick? Ich meine, die Sachen, die du machst.«
    »Ich werd dir zeigen, ob das ein Trick ist.« Sie bedeckte ihre Augen mit beiden Händen. »Deine Frau haßt dich«, sagte sie. »Sie hält dich für niederträchtig. Ihr wart noch kein Jahr verheiratet, als du schon angefangen hast, mit anderen Frauen herumzulaufen. Du bist nicht mal in die Spinnerei gegangen, nicht öfter als ein- oder zweimal im Monat, so hast du dich um’s Geschäft gekümmert. Das einzige, wovon du was verstanden hast, war, wie man Geld ausgibt.«
    Davids Gesicht war während ihres Vortrages immer blasser geworden. Jetzt ergriff er ihren dünnen Unterarm.
    »Du kleines Miststück! Du bist nicht telepathisch veran­lagt, du bist eine Lauscherin!«
    »Laß meinen Arm los!«
    »Dein Zimmer liegt direkt neben unserem. Du hast ge­lauscht!«
    »Gut!« schrie sie. »Glaubst du, es wäre mir möglich gewe­sen, nicht mit anzuhören, wie ihr beide euch gestritten habt?«
    Er

Weitere Kostenlose Bücher