Das Morden ist des Mörders Lust. Geschichten.
bemerkt hast.«
»Sie ist ein Kind, um Himmels willen.«
»Sie liebt dich.«
Er schnaubte verächtlich und begab sich zu seinem Bett.
»Du bist ihr Sir Galahad«, sagte sie spöttisch. »Du wirst sie aus der bösen Burg befreien, in der man sie gefangen hält. Wußtest du das nicht ...?«:
»Geh schlafen, Rowena.«
»Natürlich gibt es da noch ein kleines Hindernis für ihren Plan. Nämlich deine Frau. Aber schließlich war ich ja bei keiner deiner Affären ein allzu großes Hemmnis, oder?«
»Ich habe dich um einen Waffenstillstand gebeten«, sagte er.
Sie lachte. »Du bist ein Pazifist, David, das macht einen Teil deines berühmten Charmes aus. Deshalb bist du auch im März hier gewesen, nicht wahr? Um mit Geraldine eine Waffenruhe auszuhandeln.«
»Ich war geschäftlich hier.«
»Ja, ich weiß. Um Geraldine davon abzuhalten, dich ins Gefängnis zu schicken. War das nicht das Geschäft?«
»Du weißt überhaupt nichts darüber.«
»Ich habe Augen, David. Nicht solche wie Iris Lloyd, aber Augen. Ich weiß, daß du Geld aus der Spinnerei abgezogen hast, zu viel Geld. Und Geraldine wußte das auch. Wieviel Zeit hat sie dir gegeben, den Verlust auszugleichen?«
David hatte sich stets als einen Menschen von äußerster Gemütsruhe angesehen. Aber jetzt fand er, daß ihm die verlorengegangen war. »Kein Wort mehr, hörst du? Ich möchte kein Wort mehr darüber hören!«
Während der nächsten Stunde lag er wach und starrte in die Dunkelheit des Zimmers, ohne etwas zu sehen.
Er war immer noch wach, als er das Schlurfen von Füßen draußen auf dem Flur vernahm. Er setzte sich auf und hörte das leise Klicken eines Schnappriegels.
Er stand auf und zog sich Bademantel und Hausschuhe über. Ein kleiner Flecken Mondlicht lag auf dem Kopfkissen seiner Frau; Rowena schlief. Er ging lautlos zur Tür und öffnete sie.
Iris Lloyd ging im Nachthemd langsam die Treppe ins Erdgeschoß hinunter – ihr blonder Kopf saß starr auf ihren Schultern, und sie bewegte sich mit der mechanischen Anmut einer Schlafwandlerin.
Am Ende des Flurs öffnete Tante Faith ihre Tür und lugte mit weit aufgerissenen Augen heraus. »Bist du das, David?«
»Es ist Iris«, sagte David.
Tante Faith kam aus ihrem Zimmer und band mit zitternden Fingern den Gürtel ihres Morgenrocks zu. David versuchte, sie daran zu hindern, dem Mädchen nachzugehen, aber seine Tante war störrisch.
Sie verhielten auf dem Treppenabsatz. Iris lief mit offenen, starren Augen wie toll in der Eingangshalle herum.
»Was habe ich vergessen?« murmelte das Mädchen. »Was habe ich nur vergessen?«
Tante Faith griff nach Davids Arm.
»Sie sind spät dran«, sagte Iris, zur Haustür gewandt. »Es wird Zeit, daß wir aufbrechen …« Sie schwang herum und schien ihre Zuschauer direkt anzusehen, nahm sie aber nicht wahr.
»Wir müssen gehen!« sagte sie fast weinend. »Oh, bitte, holen Sie mein Gepäck. Ich bin sehr unruhig. Ich fürchte so sehr …«
»Sie ist in Trance«, flüsterte Tante Faith und drückte seine Hand. »Oh, David, jetzt geschieht es vielleicht.«
»Was habe ich vergessen?« stammelte Iris. »Gas, Strom, Telefon, Kamin ... Brennt der Kamin noch? Oh!« Plötzlich schluchzte sie auf und legte das Gesicht in ihre Hände.
David machte einen Schritt auf sie zu, aber Tante Faith sagte: »Nicht! Weck sie nicht auf!«
Iris, die in ihrem wallenden Nachthemd wie ein Gespenst aussah, lief jetzt in den rückwärtigen Teil des Hauses. Sie ging in die Küche und öffnete die Tür nach draußen.
»Sie geht raus!« sagte David. »Wir können sie doch nicht …«
»Laß sie, David! Bitte, laß sie!«
Iris trat in den Hof hinaus und folgte einem Pfad aus Mondlicht, der in den dunklen Wald hineinführte.
»Iris!« rief David. »Iris!«
»Nicht!« schrie Tante Faith. »Weck sie doch nicht auf! Du darfst sie nicht wecken.«
»Willst du, daß sich das Mädchen eine Lungenentzündung holt?« sagte David wütend. »Bist du verrückt? Iris!« rief er wieder.
Sie hielt beim Klang ihres Namens an, wandte sich um, und das Nichts in ihrem Blick wandelte sich in Verwirrung. Als David sie in die Arme nahm, schrie sie und schlug nach ihm. Mit aller Macht bemühte er sich, sie zum Haus zurückzuziehen, und er drückte dabei ihre Arme fest an ihren Körper. Als er sie endlich im Haus hatte, schluchzte sie heftig.
Tante Faith umflatterte sie mit weinerlichen Klagen. »Oh, wie konntest du das nur tun, David?« ächzte sie. »Du weißt
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