Das Moskau-Komplott
einem Notfall könnte ich auch allein hinein.«
»Was für eine Art von Notfall?«
»Wie er zum Beispiel eintreten könnte, wenn Iwan bei den Männern, die auf der anderen Flussseite im Kreml sitzen, in Ungnade fallen sollte. Er geht davon aus, dass er und Arkadij in einem solchen Fall zusammen verhaftet werden. Dann, sagt er, muss ich dafür sorgen, dass die im Tresor versteckten Unterlagen nicht in falsche Hände fallen.«
»Sollen Sie sie wegbringen?«
Sie schüttelte den Kopf. »Im Innern des Tresors sind Sprengladungen angebracht. Iwan hat mir gezeigt, wo der Auslöser versteckt ist und wie man die Ladungen scharf macht und zündet. Die Sprengstoffmenge, hat er mir versichert, ist so bemessen, dass der Inhalt des Tresors vernichtet wird, aber kein darüber hinausgehender Schaden entsteht.«
»Wie lautet das Passwort?«
»Er benutzt die Ziffern von Stalins Geburtstag: 11.12.1879. Aber das Passwort allein genügt nicht. Sie brauchen auch meinen Daumen. Und glauben Sie ja nicht, dass Sie den Scanner austricksen können. Außerdem wird der Wachmann niemandem öffnen, den er nicht kennt. Ich bin die Einzige, die in die Wohnung kommen kann, und ich bin die Einzige, die den Tresor öffnen kann.«
Gabriel stand auf und trat an die niedrige Steinbalustrade am Rand der Terrasse. »Sie können die Disketten unmöglich da herausholen, ohne dass Iwan dahinterkommt. Und wenn er dahinterkommt, wird er Sie umbringen - so wie er Aleksandr Lubin und Boris Ostrowskij umgebracht hat.«
»Er wird mich nicht umbringen können, wenn er mich nicht findet. Und er wird mich nicht finden, wenn Sie und Ihre Freunde mich gut verstecken.« Sie hielt einen Augenblick inne, um ihre Worte wirken zu lassen. »Und meine Kinder, natürlich. Sie müssen sich überlegen, wie Sie die Kinder von Iwan wegholen können.«
Gabriel drehte sich langsam um. »Ist Ihnen klar, was Sie da sagen?«
»Ich glaube, im Kalten Krieg haben wir so etwas Überlaufen genannt.«
»Ihr Leben, so wie Sie es kennen, wird vorbei sein, Elena. Sie werden die Häuser verlieren. Sie werden das Geld verlieren. Sie werden die Bilder der Cassatt verlieren. Keine Winter mehr in Courchevel. Keine Sommer mehr in Saint-Tropez. Keine endlosen Einkaufsbummel mehr in Knightsbridge. Sie werden keinen Fuß mehr nach Russland setzen können. Und Sie werden sich bis an Ihr Lebensende vor Iwan verstecken müssen. Überlegen Sie es sich genau, Elena. Sind Sie wirklich bereit, alles aufzugeben, um uns zu helfen?«
»Was gebe ich denn auf? Ich bin mit einem Mann verheiratet, der Raketen an die al-Qaida verkauft und zwei Journalisten umgebracht hat, damit es nicht ans Licht kommt. Mit einem Mann, der so wenig Achtung vor mir hat, dass er einfach seine Geliebte in mein Haus bringt. Mein Leben ist eine Lüge. Alles, was ich habe, sind meine Kinder. Ich beschaffe Ihnen diese Disketten und laufe in den Westen über. Sie müssen nur meine Kinder vor Iwan in Sicherheit bringen. Versprechen Sie mir, dass ihnen nichts geschehen wird.«
Sie fasste ihn am Handgelenk. Ihre Hand glühte wie im Fieber.
»Ein Mann, der ein Gemälde von Mary Cassatt fälschen oder ein solches Treffen arrangieren kann, muss doch einen Weg finden können, meine Kinder von ihrem Vater wegzuholen.«
»Sie haben die Fälschung durchschaut.« »Weil ich gut bin.«
»Um Iwan zu täuschen, müssen Sie mehr als gut sein. Der kleinste Fehler kann Sie das Leben kosten.«
»Ich bin ein Kind Leningrads. Ich bin in der Familie eines Parteifunktionärs aufgewachsen. Ich weiß, wie man sie mit ihren eigenen Waffen schlägt. Ich kenne die Regeln.« Sie drückte sein Handgelenk fester und sah ihm direkt in die Augen. »Sie müssen eine Möglichkeit finden, mich nach Moskau zurückzubringen, ohne dass Iwan Verdacht schöpft.«
»Und hinterher müssen wir Sie wieder herausbringen. Und die Kinder holen.« »Auch das.«
Er goss noch etwas Wein in ihr Glas und setzte sich neben sie.
»Soweit ich weiß, ist Ihre Mutter gesundheitlich nicht ganz auf der Höhe?«
»Woher wissen Sie das?«
»Wir haben Ihre Telefongespräche abgehört. Alle.«
»Sie hatte letzte Woche einen Schwächeanfall. Sie hat mich gefragt, ob ich sie besuche.«
»Vielleicht sollten Sie das tun. Ich finde es verständlich, wenn eine Frau in Ihrer Situation einige Zeit bei ihrer Mutter verbringen möchte. Nach allem, was Sie wegen Ihres Mannes durchmachen mussten.«
»Ja, das finde ich auch.«
»Kann man Ihrer Mutter vertrauen?«
»Sie kann Iwan nicht
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