Das Moskau-Komplott
betraf, nichts dem Zufall überlassen. Die Crew der Erste-Klasse-Kabine bestand zur Hälfte aus Agenten des Dienstes, und vor dem Start war die gesamte Maschine gründlich nach radioaktivem Material und anderen Giftstoffen durchsucht worden. Gabriels Speisen und Getränke wurden in einem separaten, versiegelten Behälter aufbewahrt. Das Essen war von Schamrons Frau Gilah zubereitet worden. »Es ist die Version des Dienstes von
glatt koscher«,
hatte Michail gesagt. »Rein im Sinn der jüdischen Speisegesetze und garantiert frei von russischem Gift.«
Gabriel versuchte sich aufzusetzen, doch seine Niere begann wieder zu pochen. Er schloss die Augen und wartete darauf, dass der Schmerz nachließ. Michail, von Natur nervös beim Fliegen, trommelte jetzt mit den Fingern auf seinen Klapptisch.
»Davon bekomme ich Kopfschmerzen, Michail.«
Michails Finger erstarrten. »Hast du etwas schlafen können?«
»Nicht viel.«
»Du hättest auf der Treppe beim KGB besser aufpassen sollen, wo du hintrittst.«
»Er heißt jetzt FSB, Michail. Hast du in letzter Zeit keine Zeitung gelesen? Den KGB gibt es nicht mehr.«
»Wie kommst du denn darauf? Er hieß KGB, als ich in Moskau aufgewachsen bin, und er heißt heute KGB.« Er blickte auf seine Uhr. »Wir landen in ein paar Minuten. Ein Empfangskomitee erwartet dich auf dem Rollfeld. Wenn du Bericht erstattet hast, kannst du danach einen Monat lang schlafen.«
»Außer mein Bericht macht es mir unmöglich.« »Ist es so schlimm?«
»Etwas sagt mir, dass du das noch früh genug erfahren wirst, Michail.«
Ein elektronisches Piepsen ertönte aus den Kabinenlautsprechern. Michail hob den Blick zu dem aufleuchtenden »FASTEN-SEAT-BELT«-Zeichen und tippte Gabriel auf den Unterarm. »Du solltest dich anschnallen. Du willst doch nicht, dass die Stewardess böse auf dich wird.«
Gabriel folgte Michails Blick und sah Chiara langsam den Gang herunterkommen. Bekleidet mit einer blauen El-Al-Uniform, die ihr ausgezeichnet stand, erinnerte sie die Passagiere streng daran, die Sitze gerade zu stellen und die Tische einzuklappen. Michail trank sein Bier aus und reichte ihr geistesabwesend die Flasche.
»Der Service auf diesem Flug war miserabel, findest du nicht auch?«
»Selbst nach El-Al-Maßstäben«, stimmte Gabriel zu. »Ich finde, wir sollten sofort ein Schulungsprogramm auflegen.«
»Vorsicht, für solche Vorschläge bekommt man einen Posten in der Führungsloge am King Saul Boulevard.«
»Vielleicht sollte ich mich freiwillig als Schulungsleiter melden.«
»Und mit unseren Mädels arbeiten? Dann geh lieber zurück nach Gaza und jag Hamas-Terroristen, das ist sicherer.«
Gabriel lehnte sich gegen die Kopfstütze und schloss die Augen.
»Bist du auch wirklich in Ordnung, Gabriel?« »Nur ein kleiner Lubjanka-Kater.«
»Wer könnte dir das verdenken?« Michail schwieg einen Moment. »Der KGB hat meinen Vater sechs Monate dort festgehalten, als ich noch ein Kind war. Habe ich dir das schon einmal erzählt?«
Hatte er nicht, aber Gabriel hatte seine Personalakte gelesen.
»Nach sechs Monaten in der Lubjanka haben sie meinen Vater für geisteskrank erklärt und ihn zur Behandlung in eine psychiatrische Klinik eingewiesen. Natürlich war das ein Schwindel. In den psychiatrischen Kliniken der Sowjetunion ist nie ein Mensch geheilt worden - diese Kliniken waren nur eine andere Art von Gulag. Doch mein Vater hat Glück gehabt. Irgendwann kam er wieder raus, und wir konnten nach Israel. Aber er war nicht mehr derselbe, nachdem sie ihn in diesem Irrenhaus weggeschlossen hatten. «
Genau in diesem Augenblick bebte die Kabine unter der Wucht einer harten Landung. Aus den Tiefen der Economy-Class erhob sich verhaltener Applaus. Das war Tradition, wenn Passagierflugzeuge in Israel landeten, und zum ersten Mal war Gabriel versucht, mitzuklatschen. Doch er saß nur schweigend da, während die Maschine zum Terminal rollte, und wartete wie seine Landsleute, bis das »FASTEN-SEAT-BELT«-Zeichen erlosch, ehe er sich erhob und seine Tasche aus dem Gepäckfach nahm.
Chiara stand mittlerweile an der Kabinentür. Sie wünschte Gabriel anonym einen guten Abend und gab ihm ein »Vorsicht, Stufe!« mit auf den Weg, als er hinter Michail und zwei Sicherheitsleuten die Gangway hinabstieg. Auf der Rollbahn angekommen, wandten sich Michail und die anderen nach rechts und schlüpften zusammen mit den übrigen Passagieren der Reihe nach in die Busse. Gabriel ging in die entgegengesetzte Richtung zu dem
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