Das Moskau-Komplott
vorgetragen, die nur ein britischer Akzent verlieh. Schamron, der neben Gabriel getreten war, schien sich über den Bericht zu amüsieren. Für ihn waren die Nachrichtenmedien nur eine Quelle der Unterhaltung oder eine Waffe, die sich gegen seine Feinde einsetzen ließ.
»Wie du siehst, halten sich die Russen bedeckt, was den Vorfall in dem Wohnhaus angeht. Sie haben bestätigt, dass auf Olga ein Anschlag verübt wurde, aber darüber hinaus haben sie kaum Einzelheiten verlauten lassen. Kein Wort über die Identität der Killer. Kein Wort über den Mann, der ihr das Leben gerettet hat.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Wieder in ihrer Wohnung, umringt von privaten Wachleuten und unerschrockenen westlichen Reportern wie unserem Freund von der BBC. Sie ist so sicher, wie man es in Russland nur sein kann, sprich, alles andere als sicher. Am Ende wird sie wohl in Erwägung ziehen, im Westen ein neues Leben anzufangen.« Seine Augen richteten sich auf Gabriel. »Ist sie wirklich so gut, wie es scheint, oder ist sie womöglich etwas ganz anderes?«
»Was willst du von mir hören? Ob sie vom FSB umgedreht worden ist und mir nur was vorgemacht hat?«
»Genau das möchte ich hören.«
»Sie ist etwas Besonderes, Ari. Sie ist ein Geschenk der Geheimdienstgötter.«
»Ich frage mich nur, warum sie dich gebeten hat, sie nach Hause zu begleiten. Ich frage mich, ob sie dich womöglich in dieses Treppenhaus gelockt hat, damit du getötet wirst.«
»Oder ob sie womöglich gar nicht Olga Suchowa war. Sondern Iwan Charkow in raffinierter Verkleidung.«
»Ich werde dafür bezahlt, immer vom Schlimmsten auszugehen, Gabriel. Und du auch.«
»Ich habe gesehen, wie sie bei der Schießerei reagiert hat. Sie macht uns nichts vor, Ari. Sie hat sich bereit erklärt, uns zu helfen, und ist damit ein hohes persönliches Risiko eingegangen. Vergiss nicht, ich konnte gehen. Sie ist noch in Moskau. Wenn der Kreml ihren Tod will, wird man sie umbringen. Und die Wachleute und die unerschrockenen Reporter werden es nicht verhindern können.«
Sie setzten sich an den Küchentisch. Die BBC hatte das Thema Russland beendet und zeigte jetzt Bilder von einem Bombenanschlag in Bagdad. Gabriel richtete die Fernbedienung auf das Gerät und drückte stirnrunzelnd die Stummtaste. Schamron hantierte einen Moment an der Cafetiere herum, ehe er Gabriel um Hilfe bat. In seiner Freizeit reparierte er alte Radios und Uhren, doch selbst die einfachsten Küchengeräte überforderten ihn. Kaffeemaschinen, Mixer, Toaster und dergleichen blieben ihm ein Rätsel. Gilah witzelte des Öfteren, dass er glatt verhungern würde, wenn man ihn in einem Haus voller Lebensmittel sich selbst überließe.
»Wie viel wissen wir über Iwan Charkow?«, fragte Gabriel.
»Eine Menge«, antwortete Schamron. »Iwan ist seit Jahren im Libanon aktiv. Er beliefert regelmäßig die Hisbollah, verkauft aber auch Waffen an die radikaleren Islamistengruppen, die in palästinensischen Flüchtlingslagern operieren.«
»Was für Waffen?«
»Das Übliche. Granaten, Mörser, RPGs, Kalaschnikows - und Munition. Jede Menge Munition. Doch während unseres letzten Kriegs mit der Hisbollah hat das Charkow-Netzwerk eine Sonderlieferung mit panzerbrechenden Waffen organisiert. Durch diese Waffen haben wir mehrere Panzerbesatzungen verloren. Wir haben den Außenminister nach Moskau geschickt, um zu protestieren, aber natürlich ohne den geringsten Erfolg.«
»Das bedeutet, dass Iwan Charkow nachweislich Waffen direkt an terroristische Organisationen verkauft hat.«
»Das steht außer Frage. Mit leichten Panzerabwehrwaffen und Kalaschnikows können wir leben. Aber unser Freund Iwan hat beste Beziehungen und kann an die gefährlichsten Waffen der Welt herankommen. Chemische. Biologische. Nicht einmal Atomwaffen sind auszuschließen. Wir wissen, dass Agenten der al-Qaida auf der Suche nach nuklearem Material oder sogar einer voll einsatzfähigen Atombombe seit Jahren die Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion durchkämmen. Vielleicht haben sie jetzt jemanden gefunden, der bereit ist, ihnen so etwas zu verkaufen.«
Schamron löffelte Zucker in seinen Kaffee und rührte langsam um. »Möglicherweise haben die Amerikaner ein genaueres Bild von der Lage. Sie beobachten Iwan seit Jahren.« Er grinste hämisch. »Das machen die Amerikaner gern - Probleme beobachten, aber nichts dagegen unternehmen.«
»Jetzt werden sie etwas unternehmen müssen.«
Schamron nickte zustimmend. »Ich würde vorschlagen,
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