Das Moskau-Komplott
waren von ähnlicher Größe und Statur, nur war John Boothby ein paar Jährchen älter und etwas runder um die Hüften. Er trug Gummistiefel und einen gelbbraunen Kittel. Sein dichtes graues Haar und seine buschigen Augenbrauen verliehen ihm das Aussehen einer zum Leben erwachten Flaschenbürste.
»Das ist ein Kollege von mir«, sagte Seymour und legte Gabriel die Hand auf die Schulter. »Er ist ein Freund, Sir John. Er arbeitet für einen nahöstlichen Nachrichtendienst, dessen Interessen sich gelegentlich mit unseren überschneiden. «
»Dann sind Sie Israeli«, sagte Boothby und schüttelte Gabriels Hand.
»Ich fürchte, ja«, erwiderte Gabriel zerknirscht.
»Sie müssen sich doch nicht entschuldigen, mein lieber Freund. Ich habe nichts gegen Israelis - oder Juden, um genau zu sein. Wir Europäer haben Sie in die Tinte geritten, stimmt's? Und jetzt verurteilen wir Sie, weil Sie es wagen, sich zu wehren.« Er ließ Gabriels Hand los. »Darf ich erfahren, wie Sie heißen, oder sind Namen tabu?«
»Sein Name ist Gabriel, Sir John. Gabriel Allon.«
Boothby grinste schief. »Hab ich mir's doch gedacht. Ist mir eine Ehre, Mr. Allon.« Er wandte sich der Staffelei zu und betrachtete missmutig das Bild. »Scheußlich, was? Anscheinend kriege ich Bäume nie richtig hin.«
»Darf ich?«, fragte Gabriel.
»Malen Sie auch?«
»Wenn ich Gelegenheit dazu habe.«
Boothby gab ihm den Pinsel. Dreißig Sekunden lang arbeitete Gabriel an dem Bild, dann trat er beiseite.
»Du meine Güte! Aber das ist ja unglaublich. Sie sind offensichtlich ein hoch talentierter Mann.« Er nahm Gabriel am Arm. »Lassen Sie uns ins Haus gehen. Mrs. Devlin hat einen Braten gemacht.«
Sie aßen auf der Terrasse unter einem Schirm, der ihren Gesichtern den sepiafarbenen Ton einer alten Fotografie verlieh.
Gabriel blieb beim Essen recht einsilbig, während Graham Seymour sich lang und breit über Boothbys Vater und dessen Arbeit im Zweiten Weltkrieg ausließ. Gabriel gewann den Eindruck, dass Boothby der Jüngere nicht unbedingt Freude daran hatte, wenn über seinen Vater gesprochen wurde - dass er sein Leben lang im Schatten des Kriegshelden Basil Boothby gestanden hatte und selbst ernst genommen werden wollte. Gabriel konnte nur ahnen, wie es war, der Sohn eines großen Mannes zu sein. Sein eigener Vater war im Sechstagekrieg gefallen, und seine Erinnerungen an ihn waren allenfalls bruchstückhaft: ein Paar intelligente braune Augen, eine angenehme Stimme, die nie laut und zornig wurde, zwei starke Hände, die ihn nie geschlagen hatten. Zum letzten Mal hatte er seinen Vater am Abend vor Kriegsausbruch gesehen, eine Gestalt in Olivgrün, die zu ihrer Armeeeinheit hastete. Gabriel fragte sich oft, ob diese Erinnerung der Grund für Schamrons Einfluss auf ihn war, die Erinnerung an einen Vater, der dem Ruf Folge leistete, sein Land und sein Volk zu verteidigen. Einen Vater, den er nie wiedergesehen hatte.
Gabriel fiel beim Essen noch etwas an Boothby auf, nämlich dass er die angeborene Geduld eines guten Agenten besaß. Erst als Mrs. Devlin den Kaffee servierte, erkundigte er sich schließlich, warum Seymour und sein israelischer Freund den weiten Weg nach Havermore auf sich genommen hatten, um mit ihm zu sprechen. Als Seymour daraufhin zu einer weitschweifigen Erklärung ausholte, war seine Geduld allerdings erschöpft.
»Kommen Sie, Graham. Wir sind doch Männer von Welt, und ich gehöre praktisch zur Familie. Wenn Sie wollen, dass ich eine Verschwiegenheitserklärung unterschreibe, werde ich persönlich den Stift holen. Aber bitte ersparen Sie mir diesen Mist.« Er blickte zu Gabriel. »Ihr Israelis seid doch bekannt für eure direkte Art. Also sagen Sie es einfach, zum Donnerwetter.«
»Wir haben Informationen, wonach ein russischer Waffenhändler namens Iwan Charkow möglicherweise im Begriff steht, hochgefährliche Waffen an Terroristen der al-Qaida zu verkaufen. Ist Ihnen das direkt genug, Sir John?«
»Durchaus.« Er kratzte sich an seinem ergrauten Kopf und dachte angestrengt nach. »Charkow? Woher kenne ich nur diesen Namen?«
»Seine Frau würde gern
Zwei Kinder am Strand
von Mary Cassatt kaufen.«
»Ah ja. Jetzt erinnere ich mich. Sie heißt Elena, richtig? Sie wird durch Alistair Leach von Christie's vertreten.« Er verzog das Gesicht. »Passender Name für einen Kunsthändler, finden Sie nicht? Wenn ich nur an die Höhe seiner Provisionen denke! Mein Gott, die sind absolut kriminell.«
»Stimmt es, dass Sie zu
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