Das Moskau-Komplott
den Anflug eines Lächelns. »Das wird unser kleines Geheimnis bleiben.«
30 Chelsea, London
Gabriel trat ins Wohnzimmer und setzte sich wortlos in den Sessel Leach gegenüber.
»Du lieber Himmel, Sie sind...«
»...niemand«, beendete Gabriel den Satz für ihn. »Sie kennen mich nicht. Sie haben mich nie gesehen. Sie haben nie meinen Namen gehört. Sie haben nie mein Gesicht gesehen. Haben wir uns verstanden, Alistair?«
Leach blickte Hilfe suchend zu Seymour. »Und Sie stehen da und tun nichts? Um Himmels willen! Der Mann hat mir soeben gedroht.«
»Er hat nichts dergleichen getan«, sagte Seymour. »Und jetzt beantworten Sie seine Frage.«
»Aber ich kenne seinen Namen. Ich kenne seine
beiden
Namen. Das ist Mario Delvecchio. Er hat früher Gemälde für Julian Isherwood restauriert. Er war der Beste. Hat gemalt wie ein Engel und konnte die Echtheit eines Gemäldes einfach dadurch erkennen, dass er mit den Fingern über die Pinselstriche fuhr. Dann hat er uns das Herz gebrochen. In der ganzen Zeit, in der er für Julian Bilder restauriert hat, hat er im Auftrag des israelischen Geheimdienstes Morde begangen.«
»Ich fürchte, Sie verwechseln mich mit jemand anderem, Alistair.«
»Die
Times
sagt etwas anderes. Laut
Times
waren Sie einer der Killer, die am Weihnachtsmorgen vor der Westminster Abbey diese beiden armen Teufel erschossen haben.«
»Diese >armen Teufel<, wie Sie sie nennen, waren abgebrühte Terroristen, die einen Massenmord geplant haben. Und was die Männer angeht, die sie erschossen haben, so steht im offiziellen Bericht, dass sie der Spezialeinheit SO 19 der Metropolitan Police angehören.«
»In der
Times
war doch auch ein Foto von Ihnen, oder etwa nicht?«
»Selbst einer so renommierten Zeitung wie der
Times
unterläuft gelegentlich ein Fehler«, entgegnete Graham Seymour.
Gabriel reichte Leach wortlos ein Blatt Papier. »Lesen Sie das.« »Was ist das?«
»Das Protokoll eines Telefongesprächs.« »Wessen Telefongespräch?« »Lesen Sie, Alistair.«
Leach tat wie geheißen, dann schaute er zornig zu Gabriel auf.
»Wo haben Sie das her?« »Das ist unwichtig.«
»Sagen Sie, wo Sie das herhaben, oder das Gespräch ist beendet.«
Gabriel kapitulierte. Bei Rekrutierungen, so pflegte Schamron zu sagen, müsse man manchmal kleine Niederlagen hinnehmen, um am Ende den Sieg davonzutragen.
»Das haben uns die Amerikaner gegeben.«
»Die Amerikaner? Wozu um alles in der Welt zapfen die Amerikaner mein Telefon an?«
»Jetzt werden Sie nicht größenwahnsinnig«, warf Seymour ein. »Sie haben nicht
Ihr
Telefon angezapft. Sie haben Elena Charkowas Telefon angezapft.«
»Wollen Sie damit sagen, dass Elena Charkowa eine Waffenhändlerin ist?«
»Iwan Charkow ist der Waffenhändler«, sagte Gabriel pedantisch. »Elena wird nur abgehört, wenn sie zufällig von einem der angezapften Telefone aus anruft. An dem fraglichen Tag hat sie aus ihrem Haus in Knightsbridge Sie angerufen. Sehen Sie sich die Abschrift an. Frischen Sie Ihr Gedächtnis auf, wenn es nötig ist.«
»Da gibt es nichts aufzufrischen. Ich erinnere mich noch gut an das Gespräch. Die Amerikaner haben kein Recht dazu, solche Gespräche mitzuschneiden und dann in ihren Supercomputern zu speichern. Das ist so, als würde man fremde Post öffnen. Das gehört sich nicht.«
»Falls es Sie beruhigt, niemand hat sich die Mühe gemacht, es zu lesen - bis ich kam. Aber lassen wir das beiseite und konzentrieren uns auf das, was wichtig ist. An jenem Tag haben Sie mit ihr über ein Bild gesprochen - ein Gemälde von Mary Cassatt, um genau zu sein.«
»Elena hat eine Schwäche für die Cassatt. Sie ist geradezu von ihr besessen. Kauft alles, was auf den Markt kommt. Ich dachte, ich könnte einem unbedeutenden Sammler ein Bild für sie abluchsen - ein Gemälde mit dem Titel
Zwei Kinder am Strand,
das die Cassatt 1884 gemalt hat, während sie sich von einer Bronchitis erholte. Der Sammler hat uns wochenlang zappeln lassen, ehe er mir schließlich erklärt hat, dass er sich nun doch nicht zum Verkauf durchringen könne. Ich rief Elena an, aber es meldete sich nur der Anrufbeantworter. Später hat sie zurückgerufen, und ich habe ihr die schlechte Neuigkeit mitgeteilt.«
»Haben Sie es gesehen?«
»Das Bild? Ja, es ist wirklich recht hübsch.«
»Haben Sie Elena den Namen des Besitzers genannt?«
»Wie können Sie so etwas fragen, Signor Delvecchio?«
Gabriel blickte zu Graham Seymour, der zum Regal gegangen war, Bücher herausnahm
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