Das Moskau-Komplott
angeht?«
»Nein.«
»Sie müssen ihnen etwas anbieten, Gabriel. Sonst werden sie ihre Zustimmung verweigern.«
»Sagen Sie ihnen, dass sie für uns kochen können. Das ist das Einzige, was sie können.«
»Seien Sie vernünftig.«
Gabriel blieb stehen. »Sagen Sie ihnen Folgendes: Wenn es uns gelingt, Iwans Waffendeal zu verhindern, werden wir gern dafür sorgen, dass der französische Präsident und seine Geheimdienste die ganzen Lorbeeren dafür kassieren.«
»Wissen Sie was?«, erwiderte Carter. »Das könnte tatsächlich funktionieren.«
Die Besprechung fand zwei Tage später in Paris statt, in einem bewachten Gästehaus der Regierung an der Avenue Victor-Hugo. Carter hatte die Franzosen dringend ersucht, die Teilnehmerliste kurz zu halten. Vergebens. Anwesend waren neben dem Chef des französischen Inlandsnachrichtendienstes DST und seinem Amtskollegen vom glamouröseren Auslandsnachrichtendienst DGSE ein leitender Beamter von der Police Nationale und dessen Dienstherr aus dem Innenministerium. Des Weiteren eine mysteriöse Gestalt vom militärischen Geheimdienst und - ein ungutes Zeichen dafür, dass die Politik bei der Entscheidungsfindung der Franzosen ein Wörtchen mitzureden gedachte - der nationale Sicherheitsberater des Präsidenten, der widerwillig aus seinem Chateau im Loire-Tal angereist war. Und nicht zu vergessen die unzähligen namenlosen Beamten, Funktionäre, Faktoten, Protokollanten und Vorkoster, die mit gedämpfter Geschäftigkeit aus- und eingingen. Jeder Einzelne, darüber war sich Carter im Klaren, stellte potenziell eine undichte Stelle dar. Er dachte an Gabriels Warnung vor einem immer größer werdenden Kreis von Mitwissern und fragte sich, wie lange es wohl dauern würde, bis Iwan von dem Komplott gegen ihn erfuhr.
Der Rahmen war sehr feierlich, das Mobiliar lächerlich französisch. Die eigentlichen Gespräche fanden in einem verspiegelten Speisesaal statt, an einem Tisch von der Größe eines Flugzeugträgers. Carter saß allein auf einer Seite hinter einem kleinen Messingschild, auf dem THOMAS APPLEBY, FEDERAL BUREAU OF INVESTIGATION stand - eine reine Formalität, denn er war den Franzosen bekannt und genoss trotz der vielen Sünden seines Dienstes bei ihnen beträchtliches Ansehen. Die Eröffnungsreden waren, wie Carter erwartet hatte, herzlich. Er erhob sein Glas, das einen recht guten französischen Wein enthielt, auf die Wiederaufnahme der französisch-amerikanischen Zusammenarbeit.
Er lauschte gelangweilt einem recht weitschweifigen Bericht über Iwans Aktivitäten in den ehemaligen französischen Kolonien Schwarzafrikas, soweit Paris davon Kenntnis hatte. Und er musste eine deftige Standpauke des nationalen Sicherheitsberaters über sich ergehen lassen, der Washington vorwarf, bislang nichts gegen Iwan unternommen zu haben. Er war versucht, zurückzuschlagen - und seine neuen Verbündeten dafür zu schelten, dass sie selbst Waffen in die unberechenbarsten Ecken der Welt lieferten -, doch Vorsicht war besser als Nachsicht. Und so nickte er bei passender Gelegenheit, räumte Versäumnisse ein, wo es angebracht schien, und lauerte die ganze Zeit auf die Möglichkeit, selbst die Initiative zu ergreifen.
Sie kam nach dem Essen, als sie sich in den kühlen Garten zurückzogen, um den Kaffee zu sich zu nehmen und die unvermeidliche Zigarette zu rauchen. Bei allen Zusammenkünften dieser Art kam irgendwann der Zeitpunkt, zu dem die Teilnehmer aufhörten, Bürger ihres jeweiligen Landes zu sein, und einen Schulterschluss vollzogen, wie er nur unter den Brüdern der Geheimdienstwelt möglich war. Carter wusste, dass dieser Moment jetzt gekommen war. Und so trug er ihnen draußen im Garten, dessen Stille nur vom leisen Rauschen des fernen Verkehrs gestört wurde, in aller Ruhe Gabriels Bedingungen vor - wobei er Gabriels Namen, wie auch den Iwans oder Elenas, nicht erwähnte, da das im Freien zu unsicher gewesen wäre. Natürlich reagierten die Franzosen empört und pikiert - eine Rolle, die sie bestens beherrschten. Carter flehte und bettelte. Carter schmeichelte und appellierte an das Gute in ihnen. Und zuletzt spielte er Gabriels Trumpfkarte aus. Sie stach, wie Gabriel erwartet hatte, und bis zum Morgengrauen hatten sie einen unterschriftsreifen Vertrag aufgesetzt. Sie nannten ihn den Vertrag von Paris. Diese Stunde sollte Adrian Carter als eine seiner größten im Gedächtnis bleiben.
36 Saint-Tropez, Frankreich
Das Dorf Saint-Tropez liegt am westlichen Ende der Cote
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