Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Heichler zusammen.
»Klappen Sie es auf.«
Zitternd gehorchte Heichler. In dem Gebetbuch lag ein Zettel mit einer zwölfstelligen Telefonnummer.
»Sie faxen die Informationen, die wir benötigen, an diese Nummer. Und zwar innerhalb der nächsten zwei Stunden. Haben wir uns verstanden?«
Heichler nickte. Widerstrebend nahm er den Zettel und steckte ihn in die Tasche seines Regenmantels. »Und um welche Informationen geht es?«
»Die amtlichen Kennzeichen aller Fahrzeuge, die augenblicklich vom Berliner Büro der amerikanischen CIA benutzt werden.«
Heichler spürte, wie ihm das Blut aus dem Gesicht wich. »Aber das ist unmöglich«, stammelte er.
»Im Gegenteil«, versetzte der Mann hinter ihm kühl, »es ist ganz einfach für einen hochrangigen Beamten in Abteilung V, in der Sie zufällig sind, Herr Heichler.« Mit gnadenloser Präzision fuhr der Mann fort. »Abteilung V überwacht alle Operationen ausländischer Geheimdienste auf deutschem Boden, auch die der alliierten Länder wie zum Beispiel der Vereinigten Staaten. Verbindungsoffiziere dieser Organisationen unterrichten Ihre Leute regelmäßig über ihre Ausrüstung, die Namen ihrer Feldagenten und andere Aspekte ihrer geheimdienstlichen Tätigkeit innerhalb der deutschen Grenzen. Stimmt doch, oder?«
Der BfV-Beamte nickte zögernd.
»Dann können Sie die Informationen, die wir brauchen, bekommen, und Sie werden unseren Instruktionen folgen.«
»Das Risiko ist zu groß!«, protestierte Heichler. Beschämt nahm
er den panischen Klang seiner Stimme wahr und kämpfte verzweifelt darum, ein gewisses Maß an Selbstbeherrschung zurückzugewinnen. »Derart übereilt auf die gewünschten Informationen zuzugreifen, wird unweigerlich Spuren hinterlassen, die mich verdächtig machen könnten. Und falls die Amerikaner jemals herausfinden, was ich getan habe …«
»Sie müssen überlegen, vor wem Sie mehr Angst haben«, unterbrach ihn der andere brüsk. »Vor den Amerikanern oder vor uns. Ein kluger Mann wägt seine Entscheidungen sorgfältig ab.«
Heichler wand sich im Griff der erschütternden Erkenntnis, dass er keine echte Wahl hatte. Er musste die Befehle befolgen oder den schrecklichen Preis für seine früheren Verbrechen und Verfehlungen zahlen. Ergeben ließ er die Schultern sinken und nickte düster. »Na schön, ich tue, was ich kann.«
»Sie haben eine gute Wahl getroffen«, bemerkte der Mann hinter ihm zynisch. »Denken Sie daran, Sie haben nur zwei Stunden Zeit. Und Fehler werden nicht toleriert.«
Nahe Orvieto, Italien
Professor Wulf Renke ließ sein Vergrößerungsglas langsam über den Ausdruck der Resultate des neuesten DNA-Sequenzer-Durchlaufs gleiten. Sorgfältig studierte er das komplizierte Muster. Er suchte nach den einzigartigen Abschnitten der genetischen Sequenz – seltenen Einzel-Nukleotid-Polymorphismen –, die gebraucht wurden, um die nächste HYDRA-Variante zu konstruieren. Doch dann begann seine Uhr zu piepen und erinnerte ihn daran, dass es bald Zeit wurde, den nächsten Satz von E.-coli -Kulturen zu kontrollieren. Ihm blieben nur noch wenige Minuten, um eine Analyse abzuschließen, die sonst mindestens eine Stunde in Anspruch nahm.
Verärgert über diesen neuesten Beweis für die übertriebene Eile
runzelte der deutsche Waffenexperte die Stirn. Moskaus ständiges Drängen auf schnellere Produktion zwang ihm, dem Labor, seinen Mitarbeitern und ihrer Ausrüstung ein schwindelerregendes, halsbrecherisches Tempo auf. Jede HYDRA-Variante war ein filigranes Kunstwerk, das idealerweise mit viel Zeit und Liebe zum Detail entworfen und hergestellt werden wollte. Stattdessen erwarteten Malkowitsch und Viktor Dudarew von ihm, die neuen letalen Stränge wie am Fließband zu produzieren, als wäre seine Einrichtung bloß eine altmodische Waffenfabrik, die massenhaft hochexplosive Artilleriegranaten herstellte.
Renkes Ansicht nach hätten sie noch etwas damit warten sollen, seine Schöpfung auf die Welt loszulassen. Hätte er nur wenige Monate mehr Zeit für die Vorbereitungen gehabt, wäre die ganze Hektik unnötig gewesen. Die HYDRA-Varianten hätten jederzeit einsatzbereit auf Lager gelegen. Bedauerlicherweise handelte es sich bei seinen Geldgebern um ungestüme und leidenschaftliche Männer. Und noch schlimmer war seiner Meinung nach, dass die Männer in Moskau immer noch in dem überholten Glauben an die Macht des massiven Panzer-, Infanterie- und Jagdbombereinsatzes lebten. Deshalb richteten sie ihren Zeitplan für SCHUKOW nur
Weitere Kostenlose Bücher