Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
verschlossene Medizinflasche auf den Tisch. »Hören Sie, Ms. Russell, versprechen Sie mir wenigstens, zwei von diesen Pillen zu nehmen, falls Ihre offenbar recht hohe Schmerzgrenze jemals überschritten werden sollte. Die werden Ihnen die Tortur zumindest erträglich machen.«
Randi blickte erst auf die Flasche und dann auf den Arzt. »Und die Nebenwirkungen?«
»Sind minimal«, erwiderte er mit einem leichten Lächeln. »Sie werden nur ein wenig schläfrig.« Im Gehen fügte er noch hinzu: »Aber Sie sollten etwas vorsichtig sein, wenn Sie schwere Maschinen bedienen – oder mit automatischen Waffen um sich schießen, böse Buben jagen und teure Villen abfackeln.«
»Ich werde daran denken«, antwortete Randi kühl.
Sobald der Arzt gegangen war, warf sie die Flasche mit den Schmerzmitteln in den nächsten Papierkorb. Dann stemmte sie sich aus dem Stuhl und humpelte zu Curt Bennett hinüber, dem Leiter des speziellen Technikteams aus Langley, der nach wie vor damit beschäftigt war, tiefer in Wulf Renkes ausgetüfteltes Kommunikationsnetzwerk einzudringen. Dazu benutzte der kleine, zappelige Mann die in der Schweiz registrierte Telefonnummer, die ihr Überwachungsteam herausgefunden hatte, und die Nummern aus dem Speicher des angekohlten Handys, das sie vor einigen Stunden in Kesslers Haus erbeutet hatte.
Randi beugte sich über seine Schulter. Für ihr ungeschultes Auge zeigte der Computerbildschirm vor Bennett nur einen Mischmasch aus zufälligen Zahlen- und Symbolreihen. Manche waren mit Strichen verbunden. Andere mit gepunkteten Linien. Und wieder andere standen einsam und allein. »Wie läuft’s?«, fragte sie leise.
Der CIA-Analytiker sah zu ihr auf. Die Augen hinter den drahtgefassten dicken Brillengläsern waren blutunterlaufen, strahlten aber immer noch freundlich. »Ich komme ganz gut voran«, verkündete er. »Aber wer auch immer dieses Netzwerk aufgebaut hat, er war wirklich gut. Es handelt sich um ein außergewöhnlich kompliziertes Geflecht aus verschiedenen Telefonnummern, in das viele Umwege und Sackgassen eingebaut sind. Doch ich fange an, das Muster zu durchschauen.«
»Und?«
»Bislang habe ich mehrere Nummern identifiziert, die zu Anschlüssen in verschiedenen Ländern gehören«, erklärte Bennett ihr. »In der Schweiz, Russland, Deutschland und Italien – fürs Erste.«
Randi runzelte die Stirn. »Kannst du eine davon mit Renke in Verbindung bringen?«
»Noch nicht«, erwiderte der CIA-Experte. »Die meisten dieser Anschlüsse scheinen mir der Täuschung zu dienen. Im Grunde genommen sind sie wohl nur das elektronische Gegenstück zu einem Postfach, das mit falschem Namen und Ausweis gemietet worden ist.«
»Mist.«
»Noch ist nicht alles verloren«, tröstete Bennett sie. Er lüpfte eine Braue. »Nehmen wir mal an, du hättest ein echtes Schließfach gefunden. Was würdest du als Nächstes tun?«
»Ich würde jeden, der dort Post abholt, beschatten lassen«, sagte Randi. »Und ich würde die gesamte Korrespondenz, die darüber abgewickelt wird, weiterverfolgen.«
»Exakt.« Der CIA-Spezialist schenkte ihr ein breites Grinsen.
»Weißt du, genau dasselbe können wir elektronisch auch tun. Während die Anrufe über die verschiedenen Nummern weitergeleitet werden, können wir sie verfolgen, von einem Anschluss zum nächsten, immer weiter die Leiter hinauf.«
»Wie lang wird es dauern, bis ihr an die wichtigen Nummern herankommt?«, fragte Randi leise. »Denen, die zu einem echten Telefon gehören?«
»Schwer zu sagen«, erwiderte Bennett achselzuckend. »Vielleicht noch ein paar Stunden. Vielleicht aber auch Tage. Das hängt weitestgehend davon ab, wie viel Verkehr in diesem sicheren Netzwerk herrscht. Jetzt wo wir in das System eingedrungen sind, bekommen wir mit jedem Anruf, den die bösen Buben tätigen, weitere Informationen.«
Randi nickte. »Dann bleib dran, Curt«, meinte sie grimmig. »Ich muss wissen, wo Renke sich versteckt. So schnell wie möglich.«
Als eine weitere CIA-Mitarbeiterin hastig den Konferenzraum betrat, wandte sie sich um. »Ja?«
»Langley glaubt, sie haben vielleicht einen Namen für den letzten Mann, den du in Kesslers Haus erschossen hast«, meldete die Frau ihr rasch. »Der verbrannte Ausweis, den du mitgenommen hast, war natürlich eine Fälschung, doch es ist ihnen gelungen, die Überreste des Passfotos einem Bild in unseren Archiven zuzuordnen.«
»Zeig her«, sagte Randi brüsk und griff nach der TOP-SECRET-Nachricht aus der CIA-Zentrale.
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