Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
konnte.
Als er seine Entscheidung gefällt hatte, stand er abrupt von seinem Schreibtisch auf und ging steif zu dem Wandsafe hinüber, der hinter einer jahrhundertealten Ikone des Erzengels Michael verborgen war. Er hielt seine Hand vor den Fingerabdruckscanner und die Tür schwang auf und enthüllte eine Reihe von CD-ROMs, Fotoalben und eine kleine Schachtel voller Tonbänder mit heimlich mitgeschnittenen Gesprächen. Alles in allem dokumentierte dieses Material seine abgekarteten Geschäfte mit dem Kreml. Außerdem enthielt es eine detaillierte Zusammenfassung sämtlicher Informationen, die er über die militärischen Pläne Russlands hatte.
Schnell packte der Milliardär den Inhalt des Safes in eine seiner Aktentaschen. War er erst sicher aus Russland heraus, konnte er dieses Material benutzen, um neue Absprachen mit Dudarew zu treffen und sich im Austausch dafür, dass er HYDRA ihr Werk vollenden ließ, eine unwiderrufliche Garantie für seine persönliche Sicherheit geben zu lassen. Malkowitsch lächelte dünn, als er sich vorstellte, wie wütend der russische Präsident darüber sein würde, von seinem Komplizen erpresst zu werden. Dann zuckte er die Achseln. Glücklicherweise war Dudarew, genau wie er selbst, im Grunde ein kaltblütiger Realist. Ihre Allianz hatte nie in erster Linie auf gegenseitigem Vertrauen beruht.
Außerhalb von Moskau
Jon Smith ertrank, er sank tiefer und tiefer durch bodenlose schwarze Wasserschichten. Seine Lungen brannten wie Feuer und kämpften gegen den steigenden Druck, während er unaufhaltsam in den vernichtenden Abgrund glitt. Verzweifelt wand er sich, um mit den Armen wieder an die Oberfläche zu rudern. Doch dann erkannte er zu seinem Entsetzen, dass seine Hände und Füße ihm nicht gehorchten, sie rührten sich nicht. Gefesselt und hilflos stürzte er mit zunehmender Geschwindigkeit kopfüber ins Nichts. Es gab kein Entrinnen.
»Wachen Sie auf, Colonel!«, forderte eine strenge Stimme unvermittelt.
Smith rang schaudernd nach Luft und würgte, denn ein neuer Eimer eiskaltes Wasser traf ihn voll ins Gesicht. Er hustete heftig und krümmte sich dann vor Schmerzen. Jeder Nerv tat ihm weh. Erschöpft zwang er sich, die Augen zu öffnen.
Er lag auf der Seite in einer Pfütze mit gefrierendem Wasser. Seine fest auf dem Rücken gefesselten Hände fühlten sich taub an. Genau wie seine Füße, die an den Knöcheln eng zusammengebunden waren. Ein rauer, abgetretener Steinfußboden war alles, was er in der Dunkelheit sehen konnte. Einen Augenblick lang ergab nichts, was er sah, einen Sinn. Wo war er? Und was zum Teufel geschah mit ihm? Ganz in der Nähe konnte er etwas hören, das wie das leise Stöhnen einer Frau klang. Langsam und unwillkürlich ächzend, so sehr schmerzte ihn die geringste Bewegung, wandte Jon den Kopf, um aufzublicken.
Ein groß gewachsener, blonder Mann stand über ihm und sah mit einem abschätzenden Blick in seinen schiefergrauen Augen auf ihn herab. Stumm musterte der Mann ihn eine Weile. Dann nickte er grausam befriedigt. »Schön, dass Sie zu Bewusstsein kommen, Colonel, dann können wir wieder anfangen – das Ganze noch einmal von vorn.«
Wie ein reißender Fluss einen aufgeweichten Staudamm überschwemmt stürzten unangenehme Erinnerungen auf Smith ein und fluteten sein schmerzumnebeltes Hirn. Der Mann mit den grauen Augen war Erich Brandt. Und dieser Mann hatte ihn und Fiona Devin gefangengenommen. Kurz nach dem Attentat, bei dem Oleg Kirow getötet worden war, hatte man sie in diesen feuchten Keller gezerrt.
Das Gemäuer lag unter den Ruinen einer Kirche und gehörte zu einem russisch-orthodoxen Kloster, das die Bolschewiken nach der Revolution 1917 geschlossen hatten. Jon erinnerte sich, dass die Wände von unzähligen Einschüssen durchlöchert waren und der große Deutsche ihm mit finsterer Freude erklärt hatte, dieser Raum habe Stalins Geheimpolizei, dem NKVD, bei einer der brutalen Säuberungen des Diktators als Exekutionsort für politische Häftlinge gedient. Inzwischen waren Gelände und Gebäude des Klosters – oder das, was davon noch übrig war – vollständig verlassen und wurden langsam von den umgebenden Wäldern verschluckt.
In den schrecklichen Stunden seit ihrer Ankunft hatten sie eine endlose Folge von Quälereien über sich ergehen lassen müssen, während Brandt und zwei seiner grimmigen Schergen sie abwechselnd verhörten. Jede Frage, die sie stellten, war von Schmerzen begleitet gewesen, entweder gab es einen
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