Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
Rücksitz beugte sich vor. Das fahle Licht, das durch die getönte Frontscheibe fiel, spiegelte sich auf seinem rasierten Schädel. Vorsichtig, sehr vorsichtig, berührte er den dicken Verband auf seiner zerschmetterten Nase, der mit braunen, getrockneten Blutflecken übersät war. »Glaubst du etwa, der Mann, der mir das angetan hat, ist nur Arzt?«, fragte er leise. »Nur ein einfacher Arzt?«
Ilionescu musste plötzlich schlucken.
»Glaubst du das?«
Der Rumäne geriet langsam ins Schwitzen und schüttelte den Kopf.
»Dann hast du also doch etwas Verstand. Gut. Also, was immer dieser Smith in Wahrheit auch ist, wir werden ihn erledigen«, fuhr der andere fort. Seine Stimme war jetzt nur noch ein gefährliches Flüstern. »Außerdem waren unsere letzten Befehle aus Moskau eindeutig, oder? Keine Zeugen. Ich nehme an, du weißt noch, wie Versager bestraft werden?«
Beim Gedanken an die grauenvollen Fotos, die man ihm gezeigt hatte, begann ein Muskel an Ilionescus linkem Auge zu zucken. Er nickte nachdrücklich. »Ja, das weiß ich noch.«
»Dann tu, was ich dir sage.« Damit lehnte sich Georg Liss, der Mann mit dem Codenamen Prag-Eins, wieder zurück und verbarg sein zerstörtes Gesicht im Dunkeln.
Kapitel vier
Nahe Brjansk, Russland
Vier Su-34 Jagdbomber dröhnten tief über die bewaldeten Hügel westlich von Brjansk. Modernste Radarsysteme an Bord erlaubten den Kampfflugzeugen gerade tief genug zu fliegen, um nicht mit den höchsten Bäumen und Strommasten zusammenzustoßen. Die stichflammenartigen Salven von Täuschkörpern, die sie ausstießen, um hitzesuchende Boden-Luft-Raketen abzulenken, schwebten langsam dem schneebedeckten Boden entgegen.
Plötzlich zogen die vier Su-34 an und gewannen kurz an Höhe, während ihre Bordsysteme verschiedene Ziele erfassten, die Daten auf die Waffen übertrugen und den Bombenauslösepunkt berechneten. Sekunden später regnete ein Schauer präzisionsgesteuerter Bomben und Raketen von den Flugzeugen auf den fernen Wald hinab. Sofort legten sich die vier Jets in eine scharfe Rechtskurve, gingen wieder in den Tiefflug, um feindliches Radar abzuschütteln, und verließen das Einsatzgebiet Richtung Norden.
Hinter ihnen begannen die Wälder zu explodieren, riesige grell orangefarbene Fontänen und rote Feuersäulen spritzten auf. Zerfetzte Bäume wurden hoch in die Luft geschleudert und drehten sich kreiselnd über hunderte von Metern, ehe sie auf die Erde zurückstürzten. Der Wind trieb wogende Wolken aus Rauch und Schmutz vor sich her.
Fast ein Dutzend hochrangige russische Armee- und Luftwaffenoffiziere standen auf dem Dach eines alten Betonbunkers, der in die Vorberge eines nahen Höhenrückens eingelassen worden
war, und spähten fasziniert durch ihre Ferngläser. Mehr als einhundert schwer bewaffnete Soldaten einer Luftsturmbrigade in Schneeanzügen und Panzerwesten waren zum Schutz der Generale entlang des Höhenrückens aufgestellt worden. Hinter dem Bunker, gut versteckt unter Bäumen und einem infrarot-resistenten Tarnnetz, standen Lastwagen für die Einsatzleitung und die elektronischen Gerätschaften. Frisch verlegte Glasfaserkabel schlängelten sich in den Wald hinein und führten zu einer abhörsicheren Nachrichtenstation. Um für diese spezielle Folge von Manövern mit dem Codenamen WINTERKRONE vollständige operative und strategische Geheimhaltung zu gewährleisten, waren sämtliche Funk- und Mobilfunkübertragungen sowie herkömmliche Festnetzverbindungen auf ein Minimum beschränkt.
Ein Armeeoberst, der angestrengt den Stimmen aus seinem Kopfhörer lauschte, wandte sich dem kleinen, schlanken Mann an seiner Seite zu. Unter den Beobachtern, die sich auf dem Bunkerdach drängten, war er der einzige Mann in Zivil. Er trug einen einfachen schwarzen Mantel mit Schal und der Wind riss an seinem schütteren braunen Haar. »Die Manövercomputer melden, dass alle simulierten feindlichen Geschützbatterien und mobilen Feuerleitradareinheiten zerstört sind«, berichtete der Oberst förmlich.
Der russische Präsident Viktor Dudarew nickte zufrieden, während er weiter durch sein Fernglas schaute. »Sehr gut«, murmelte er.
Eine neue Formation schnittiger Erdkampfflugzeuge – ultramoderne Su-39 mit mächtigen, laut heulenden Turbojetmotoren – raste im Tiefflug über die nächstgelegenen Hügel. Sie brausten mit Höchstgeschwindigkeit über den Bunker hinweg und flogen in das breite Tal unterhalb des Bergkamms. Hunderte von ungelenkten Raketen fielen aus
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