Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
allem würde ich sagen, dass Sie unglaubliches Glück gehabt haben«, fuhr Klein fort. »Von Rechts wegen müssten Sie tot unter dieser Brücke liegen.«
»Ja, Sir«, räumte Smith ein. »Die hiesige Polizei ist übrigens auch dieser Meinung.«
Klein schnaubte. »Ich kann also davon ausgehen, dass die tschechischen Behörden Ihnen unangenehme Fragen dazu gestellt haben, wie es Ihnen gelungen ist, diesen Zusammenstoß zu überleben?«
»Das könnte man so sagen«, entgegnete Smith trocken. »Fügen Sie die Worte non grata an meine persona an, dann haben Sie ein
recht klares Bild von meiner augenblicklichen Situation. Sie setzen mich in das nächste Flugzeug nach London.«
»Das ist ärgerlich, aber nicht gefährlich. Weder für Ihre Karriere, noch für Ihre Tarnung«, konstatierte Klein. »Was mich mehr interessiert: Haben Sie von diesen Männern noch etwas zu befürchten?«
Über diese Frage dachte Smith sorgfältig nach. Er hatte bereits den größten Teil der vergangenen Nacht daran geknabbert. Wie weit würden die Agenten, die Petrenko getötet hatten, tatsächlich gehen? Hatten sie mit der Eliminierung des russischen Wissenschaftlers ihren Befehlen genügt oder erwartete man von ihnen, dass sie jeden, den Petrenko kontaktiert hatte, zum Schweigen brachten? »Durchaus möglich«, gestand er. »Vielleicht nicht wahrscheinlich, aber möglich.«
»Verstanden«, meldete Klein nüchtern. Abermals wurde es still in der Leitung, doch nach weniger als einer Minute war Klein wieder da. »Ich schicke Ihnen Verstärkung. Nichts Besonderes, so auf die Schnelle, aber ich möchte nicht, dass Sie dort ganz allein unterwegs sind. Können Sie noch ungefähr eine Stunde warten?«
Smith nickte. »Kein Problem.«
»Gut. Rufen Sie mich noch einmal an, ehe Sie die Polizeistation verlassen.« Klein zögerte kurz. »Und versuchen Sie, sich nicht umbringen zu lassen, Jon. Dann bleibt der ganze verdammte Papierkram an mir hängen.«
Smith grinste. »Ich denk dran«, versprach er.
Ein Mann mittleren Alters verließ eilig die Polizeiwache an der Konviktská. Er trug einen dicken braunen Mantel, Handschuhe, eine Pelzmütze und eine verspiegelte Sonnenbrille. Ohne zurückzuschauen ging er zügig nach Süden, auf den Fluss zu.
Ganz in der Nähe, in einer schmalen Seitenstraße, stand ein
schwarzer Mercedes mit getönten Scheiben und wartete auf ihn. Der Mercedes war falsch geparkt, doch das diplomatische Abzeichen, das auffällig an der Frontscheibe prangte, hatte Prags bekanntermaßen übereifrige Politessen bislang ferngehalten. Trotz des bewölkten Himmels war an der Heckscheibe der Limousine der Sonnenschutz heruntergezogen.
Hastig riss der Mann die Fahrertür auf und glitt hinter das Lenkrad. Dann nahm er Mütze und Sonnenbrille ab und warf sie auf den Ledersitz neben sich. Mit einer behandschuhten Hand strich er nervös einige Haarwirbel glatt, die von seinem frisch geschnittenen braunen Schopf abstanden.
»Und?«, fragte eine mürrische Stimme vom Rücksitz. »Was hast du herausgefunden?«
»Die Stadtpolizei hält den Amerikaner immer noch fest«, berichtete der Fahrer, ein Rumäne, der auf den Namen Dragomir Ilionescu hörte, und sah in den Rückspiegel. Er konnte die Umrisse des Mannes hinter sich kaum erkennen. »Aber nicht mehr lange. Wie du schon vorausgesehen hast, soll er heute irgendwann einen Flug nehmen. Erst nach London und von da nach New York.«
»Sind irgendwelche Beamte zu seiner Sicherheit abgestellt?«
»Offenbar nicht. Die Tschechen gehen davon aus, dass er allein zum Flughafen findet.«
»Wie sehr können wir unserem Informanten vertrauen?«, fragte die Stimme.
Ilionescu zuckte die Achseln. »Bisher ist er immer zuverlässig gewesen. Ich habe keinen Grund, ausgerechnet jetzt an ihm zu zweifeln.«
»Ausgezeichnet.« Im Halbdunkel des Wagens blitzten weiße Zähne auf, als der Mann auf dem Rücksitz kalt lächelte. »Dann wird Colonel Smith eine aufregende Reise haben. Gib dem Rest der Einheit Bescheid. Alle sollen sich sofort bereitmachen. Sie kennen ihre Rollen.«
Gehorsam griff Ilionescu nach dem Autotelefon und legte den
Schalter um, der das Verschlüsselungsgerät aktivierte. Doch dann zögerte er. »Müssen wir dieses Risiko unbedingt eingehen?«, fragte er. »Ich meine, Petrenko ist tot und das gestohlene Material für immer in der Moldau verschwunden. Wir haben unser Hauptziel erreicht. Was macht es für einen Unterschied, ob dieser amerikanische Arzt lebt oder nicht?«
Der Mann auf dem
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