Das Moskau Virus: Roman (German Edition)
eine böswillige, tödliche Wespe, an seinem Ohr vorbei.
Keuchend vor Angst und Anstrengung warf Jon sich zur Seite und ließ sich schnell weiterrollen. Als er es bis zum Wrack des Rettungswagens geschafft hatte, blieb er liegen. Ein viertes Projektil bohrte sich durch das verbogene Metall und wurde vom Stahlrahmen des Autos abgelenkt, während Funken und winzige, halb geschmolzene Metallfetzen auf ihn hinabregneten. Smith zuckte zusammen und streifte sie ab.
Rasch erwog er die Chancen, die sie hatten. Was war zu tun? Solange sie hinter den Autos in Deckung blieben, waren sie relativ sicher vor dem unsichtbaren Scharfschützen. Aber auch festgenagelt, unfähig, sich zu bewegen oder effektiv zurückzuschlagen, und er konnte bereits aus verschiedenen Richtungen Martinshörner kommen hören.
Er schüttelte den Kopf. Liegenzubleiben und auf die Moskauer Polizei zu warten, war keine Option, nicht mit Elena Wedenskajas Befunden in der Hand und vier toten feindlichen Agenten um sie herum. Er packte seine 9mm-Makarow fester und bereitete sich innerlich darauf vor, dahin zurückzurennen, wo Kirow und Fiona Deckung gefunden hatten.
Einhundertundfünfzig Meter weiter oben an der Powarskaja ging Erich Brandt neben der offenen Tür seiner schwarzen Mercedes-Limousine in die Knie. Ein anderer Mann lag lang ausgestreckt auf der Straße und spähte durch das Zielfernrohr seines Scharfschützengewehrs, einer Dragunow SVD mit langem Lauf.
»Alle haben eine gute Deckung«, sagte der Schütze kühl. »Immerhin ist es mir gelungen, Sorokin zu treffen.«
Brandt zog die Stirn kraus. Der »Doktor«, ein ehemaliger KGB-Offizier namens Michail Sorokin, war einer seiner zuverlässigsten Agenten gewesen, ein kaltblütiger, professioneller Killer, der nie einen Auftrag verpatzt hatte. Bis zu diesem Tag jedenfalls. Dann zuckte er die Achseln und verdrängte den Anflug von Bedauern. Obwohl es ihn geärgert hatte, dass er Sorokins Erschießung anordnen musste, war ihm keine Wahl geblieben. Er wollte es nicht riskieren, einen seiner Agenten lebend in die Hände des Feindes fallen zu lassen. »Können Sie die Amerikaner aus der Deckung treiben?«
Der andere Mann schüttelte kaum merklich den Kopf. »Nicht in ein paar Minuten.« Er zuckte die Achseln. »Falls sie auf die Straße kommen, erwische ich sie, aber was ich nicht sehe, kann ich auch nicht treffen.«
Brandt nickte knapp.
Der Scharfschütze nahm das Auge vom Zielfernrohr und sah seinen Chef an. »Warten wir, bis die Milizija sie verhaftet? In ein paar Minuten werden die ersten Streifenwagen da sein.«
Brandt überlegte. Dank Alexei Iwanow besaß er offizielle Ausweise, die der Überprüfung durch die örtliche Polizei standhalten würden. Falls die Milizija jemanden festnahm, konnte er die Polizisten vermutlich dazu bringen, ihm die Beute zu überlassen. Doch wie die Sache auch ausging, der mürrische, misstrauische Leiter der 13. Abteilung würde erfahren, dass man ihn belogen hatte und dass zumindest ein amerikanischer Geheimagent bereits damit beschäftigt war, die HYDRA-Sicherheitslücke in Moskau näher zu untersuchen.
Er schnitt eine Grimasse. In dem Fall wäre es weit besser, den russischen Agentenführer mit einem fait accompli konfrontieren zu können, also Smith, Fiona Devin und ihren unbekannten Komplizen notfalls tot, besser aber lebend und gefangen zu präsentieren.
Er schaute hinab auf den Scharfschützen, der geduldig auf Anweisungen wartete. »Wir werden sie am Rückzug hindern«, beschloss er. »Legen Sie ihr Fluchtfahrzeug lahm.«
Der andere Mann nickte bedächtig. »Das ist einfach, Herr Brandt.«
Er legte das rechte Auge wieder an das Zielfernrohr, visierte das neue Ziel an und zog den Abzug durch. Das SVD-Gewehr ruhte sanft an der Schulter des Scharfschützen und jagte ein weiteres Projektil heraus, ohne dass der lange, gut ausbalancierte Lauf sichtbar hochschlug.
Smith ging in die Hocke und spurtete mit Höchstgeschwindigkeit über das schmale Stück ungedeckte Straße zwischen dem Rettungswagen und Kirows allradgetriebenem SUV. Wieder peitschte ein Schuss. Aus vollem Lauf hechtete er nach vorn, rollte sich über die Schulter ab und kam geduckt hinter der zerbeulten Front des Niva wieder hoch. Die Makarow hielt er beidhändig im Anschlag, bereit, sofort zu feuern, falls irgendein Ziel in Reichweite sein sollte.
»Sehr akrobatisch, Herr Doktor«, begrüßte Kirow ihn spöttisch. Der weißhaarige Russe und Fiona Devin lagen einige Meter entfernt flach auf
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