Das Motel
nieder.
»Ich hab vorhin einen Schrei gehört«, sagte er. »Wissen Sie, was da los war?«
Madge schüttelte den Kopf und verdrehte die Augen. »Oh, das. Ich hatte bislang eine ziemlich seltsame Nacht. Diese beiden Kerle in Hütte drei machen mich ganz nervös. Die benehmen sich irgendwie verdächtig.«
»Ich hab vorhin einen von ihnen kennengelernt. Eddy, glaube ich. Schien mir ein ganz netter Typ zu sein. Wollte mir eine Schachtel Zigaretten abkaufen.«
»Eddy?«, fragte Madge.
»Ja. Mittelgroß, kurze, strubbelige Haare. Aber anscheinend ein ziemlich gut aussehender junger Mann. Zumindest findet das meine Frau.«
Sie kicherte. »Er hat mir gesagt, sein Name sei Michael.«
»Wirklich? Vielleicht haben sie dann ja tatsächlich etwas zu verbergen. Wieso sollten sie auch sonst ihren Wagen hinter der Hütte parken?«
»Haben sie das?«, fragte Madge. Sie hatte es gar nicht bemerkt, als sie Wayne einen Besuch abgestattet hatte. »Ich frage mich, warum.«
»Wer weiß?«, entgegnete Morrie.
»Ich bin jedenfalls froh, wenn sie wieder weg sind, das kann ich Ihnen sagen. Und von dem Vater-und-Sohn-Gespann in Hütte vier ganz zu schweigen. Der Vater ist auch ein bisschen merkwürdig.«
Morrie kicherte. »Sie haben hier heute Nacht wirklich einen ziemlich bunten Haufen.«
»Ich weiß. Der Schrei vorhin, das war sein Sohn. Er hatte Angst vor einer Spinne in der Dusche.«
»Einer Spinne?«, gluckste Morrie.
Den Schnurrbart erwähnte sie nicht. Diese Sache behielt sie lieber für sich.
»Ich schätze, wenn man in einem Motel arbeitet, trifft man alle möglichen seltsamen Gestalten.«
Madge nickte langsam und dachte an ein paar ihrer ungewöhnlicheren Gäste zurück.
»Ich habe ein paar ziemlich wichtige Leute hier reinschneien sehen, natürlich in diversen Verkleidungen. Und mit Damen am Arm, die nicht unbedingt wie ihre Frauen aussahen.«
»Oh, erzählen Sie mir mehr«, bat Morrie.
»Es tut mir leid, aber ich kann natürlich keine Namen nennen. Aber ich will zumindest so viel sagen, dass bereits ein paar äußerst wichtigste Regierungsmitglieder hier gewesen sind, Leute von ganz oben, wenn Sie so wollen.«
Morrie senkte sein Glas und starrte Madge mit offenem Mund an. »Wirklich? Sie müssen mir verraten, wer das war, kommen Sie schon.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht. Aber glauben Sie mir, ich würde liebend gern ein paar dieser Männer bloßstellen.«
»Bekomme ich einen Hinweis?«
»Sie sind alle noch am Leben.«
»Sie? Wollen Sie damit sagen, dass es nicht nur einer war?«
Madge zuckte die Achseln. »Ich halte einfach meinen Mund und versuche, nicht über ihre erbärmlichen Verkleidungen zu lachen.«
»Wow«, sagte Morrie. »Was haben Sie sonst noch erlebt?«
»Oh, Sie wären wirklich angewidert, wenn Sie wüssten, was ich hier im Laufe der Jahre morgens so alles gefunden habe. Einmal, und das ist wahrscheinlich das Herzzerreißendste und Schrecklichste, was ich je gesehen habe …« Madge stellte fest, dass die Erinnerung daran sie noch immer mitnahm, selbst nach all den Jahren. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. »Es tut mir leid, ich weine normalerweise nicht vor Fremden. Nicht, dass Sie irgendein Fremder wären.«
»Ich weiß schon, was Sie meinen«, versicherte Morrie.
Sie wischte die Tränen mit ihrem Handrücken weg, trank einen Schluck Whiskey und atmete tief ein. »Eines Morgens, das ist etwa fünf Jahre her, habe ich eines der Zimmer sauber gemacht, in dem eine junge Frau übernachtet hatte. Sie muss ungefähr 18 Jahre alt gewesen sein. Sie war an jenem Morgen schon sehr früh aufgebrochen. Als ich ins Badezimmer ging, um sauber zu machen, war der ganze Boden voller Blut. Ich war vollkommen schockiert. Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, woher all das Blut gekommen sein sollte, bis ich es in der Ecke liegen sah. Ein neugeborenes Baby. Es war völlig blutüberströmt. Ich habe es ganz schnell hochgehoben und in die Dusche getragen, um das ganze Blut und den Schleim abzuwaschen. Die Nabelschnur war noch nicht abgetrennt. Ich weiß nicht, ich schätze, ich hatte das Gefühl, irgendetwas tun zu müssen, aber eigentlich wusste ich, dass es längst tot war. Ich bin mir nicht sicher, ob das arme Ding tot geboren worden war oder ob es erfroren ist. Aber ich sage mir immer, dass es Ersteres war.« Madge rieb sich die Augen. »Es tut mir leid, ich wollte unserer schönen Stimmung keinen solchen Dämpfer verpassen.«
»Ich kann nicht glauben, dass irgendjemand so etwas tun
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