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Das Motel

Das Motel

Titel: Das Motel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brett McBean
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bald erfahren würde.
    Er presste seine Augen ganz fest zusammen und begann zu beten.

KAPITEL 35
    2.24 Uhr
    »Bist du sicher, dass er es war?«
    Morrie nickte. Sein Grinsen beunruhigte Judy.
    Sie konnte es nicht glauben. Für sie war die ganze Sache einfach ein viel zu großer Zufall. Sie zweifelte nicht daran, dass Morrie einen an ein Bett gefesselten Jungen gesehen hatte, nackt und blutüberströmt, und sie stand leicht unter Schock, seit sie es gehört hatte. Was sie jedoch bezweifelte, war, dass es sich um denselben Jungen handelte, der von ihrem Haus geflüchtet war.
    »Ich weiß nicht. Bist du wirklich ganz sicher? Es war schließlich dunkel und das ist alles so schnell passiert.«
    »Was, glaubst du mir etwa nicht?«
    Judy zuckte die Schultern. Sie musste es so vorsichtig wie möglich formulieren. »Ich glaube nicht, dass du mich anlügst, Morrie. Aber heute Nacht ist es einfach sehr dunkel und immerhin hat er eine Sonnenbrille getragen.«
    Morries Grinsen dehnte sich zu einem Lächeln aus. »Und genau da hast du unrecht. Kurz bevor ich den anderen Jungen erschossen habe, hat er sie abgenommen. Ich weiß nicht, warum, aber in dem Moment hab ich sein Gesicht gesehen. Es war zwar nur für einen Augenblick, aber ich habe es gesehen, Judy. Und es war dasselbe Gesicht, das mich vorhin aus der Hütte angeschaut hat.«
    Judy schloss die Augen und schüttelte den Kopf. Am liebsten hätte sie angefangen zu weinen, aber die Tränen wollten einfach nicht fließen. Plötzlich blitzte das Bild der beiden Männer – nein, nicht Männer: Jungen! – vor ihrem inneren Auge auf, und sie sah sie erneut vor ihrer Haustür stehen. Beide wurden vom Lichtschein der Lampe über der Tür erhellt. Sie konnte einen Blick auf ihre Gesichter werfen. Ihre Augen waren hinter Sonnenbrillen verborgen, aber ihre Gesichter konnte sie trotzdem sehen.
    »Ich will da rübergehen und es mir selbst anschauen.« Judy öffnete ihre Augen und starrte Morrie an.
    »Warum?«, kicherte er. »Du hast sein Gesicht ja nicht gesehen.«
    »Doch, hab ich. Weißt du nicht mehr?«
    Er runzelte die Stirn. Nachdem er eine Weile nachgedacht hatte, nickte er. »Aber du hast sie nur mit ihren Sonnenbrillen gesehen.«
    »Das hat aber gereicht. Wenn ich sein Gesicht noch mal sehen könnte, würde ich mich auf jeden Fall daran erinnern.«
    »Okay«, sagte Morrie. »Ich nehm’ dich mit rüber, aber wir müssen uns beeilen. Ich weiß nicht, wo der Vat… der Mann ist. Er könnte jederzeit zurückkommen. Vielleicht ist er inzwischen auch schon wieder zurück.«
    »Hast du nicht gesagt, sie wären Vater und Sohn?«, fragte Judy und richtete sich auf.
    Morrie zuckte die Schultern. »Das hat der Mann jedenfalls Madge erzählt, als er eingecheckt hat. Aber ich glaube nicht, dass das stimmt. Ich weiß nicht, wie ein Vater seinem Sohn jemals so etwas antun könnte.«
    Judy nahm Morries Hand und zog sich aus dem Bett hoch.
    Er lächelte sie flüchtig an und griff dann nach seiner triefend nassen Jacke. Judy ging zum Tisch hinüber, an dem ihre Jacke – genau dieselbe wie Morries, nur eine Nummer kleiner – über einer Stuhllehne hing. Sie nahm sie und schlüpfte hinein.
    »Sieht er … sehr schlimm aus?«, fragte Judy.
    »Es ist ganz sicher kein schöner Anblick. Bist du sicher, dass du das sehen willst? Kannst du mir nicht einfach vertrauen?« Er stellte sich zu ihr an die Tür. Er hatte seine Kapuze bereits aufgesetzt.
    »Man sollte meinen, dass die eine Leiche heute Nacht mir für den Rest meines Lebens gereicht hat. Aber vielleicht gewöhne ich mich ja allmählich daran.«
    Morrie verzog das Gesicht. »Das ist nicht witzig. Kein Mensch sollte sich je daran gewöhnen, eine Leiche zu sehen. Davon abgesehen, ist der Junge gar nicht tot, falls du das schon vergessen hast.« Morrie hielt inne und fügte dann hinzu: »Noch nicht.«
    Judy ließ Morries Bemerkung unerwidert. Sie zog sich die Kapuze über den Kopf, öffnete die Hüttentür und trat hinaus in den Sturm.
    Morrie machte die Tür hinter sich zu und schloss dann zu Judy auf.
    Sie kämpften sich so schnell sie konnten durch Wind und Regen, bis sie die Hütte erreichten. Morrie beugte sich ganz dicht an Judy heran. »Warte kurz hier. Ich sehe nach, ob der Mann schon zurück ist.«
    Er stellte sich vor das rechte Fenster und spähte durch den Vorhang.
    Kurz darauf kehrte er zu Judy zurück. Er nahm sie bei der Hand und führte sie zum anderen Fenster hinüber. »Du kannst ihn durch die Lücke zwischen den Vorhängen

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