Das Motel
gewünscht, seine Eltern ganz fest zu umarmen. Er versuchte, sich zu beherrschen, und der Gedanke, dass vielleicht bald ein weiteres Auto kam, gab Simon die Kraft, wieder aufzustehen und sich weiterzubewegen.
Er rappelte sich vorsichtig auf, wischte sich den Dreck und den Kies von seinen Klamotten und begann, kleine Steinchen aus den Kratzern in seiner Haut zu zupfen.
Es tat furchtbar weh, aber es gelang ihm, sämtliche Kiessplitter aus seiner Handfläche zu entfernen. Er setzte sich wieder in Bewegung und versuchte seine Beine zum Rennen zu bringen, aber sie gehorchten ihm nicht.
In der Ferne erkannte Simon den schwachen Glanz von Scheinwerfern. Da das Auto auf ihn zufuhr, wusste er, dass es sich nicht um den Mann handeln konnte. Die Möglichkeit, dass er vielleicht gleich in Sicherheit war, überwältigte Simon und er brach weinend zusammen.
Er taumelte zur Mitte der Straße und winkte aufgeregt mit beiden Händen.
Der Wagen wurde langsamer und fuhr auf den Seitenstreifen.
»Vielen Dank«, krächzte Simon.
Er eilte zu dem wartenden Auto hinüber. Als Simon sich der Fahrertür näherte, sah er, dass der Mann dort das Fenster herunterkurbelte. Er wirkte ziemlich verwirrt.
»Bitte helfen Sie mir«, platzte es aus Simon heraus.
»Was ist denn passiert?«
»Kann ich einsteigen? Bitte?«
Der Mann nickte. Simon rannte um den Wagen herum zur Beifahrerseite, riss die Tür auf und kletterte hinein.
Der Mann betrachtete Simon von oben bis unten. »Ist das so ’ne Art Halloweenscherz?«, fragte er, und auf seinem dicklichen Gesicht breitete sich ein leichtes Grinsen aus.
»Nein!«, rief Simon aus. »Mein Freund ist … ist tot. Er wurde erschossen.«
Der Mann öffnete den Mund und schnappte nach Luft. »Erschossen? Wo denn?«
Simon wollte gerade »In die Brust« antworten, als er begriff, was der Mann meinte. Er zeigte die Straße hinunter. »Etwa fünf Minuten von hier. Wir wollten zu einer Party, aber es war … war das falsche Haus. Der Typ war v… verrü…« Seine Stimme brach und er begann zu schluchzen.
»Okay«, sagte der Mann. »Ich bring dich zur Polizei. Wie heißt du denn?«
»Simon«, antwortete Simon schwach.
»Okay, Simon. Es wird alles gut werden. Ich heiße übrigens Wayne.«
Simon lehnte seinen Kopf nach hinten gegen die Nackenstütze und schloss die Augen. »Ich danke Ihnen«, schluchzte er.
Ein plötzlicher Schlag gegen den Kopf schickte Wellen des Schmerzes durch seinen Körper. Die Welt um ihn herum versprühte gleißend helle Funken, bevor sie in tiefschwarzem Nichts versank.
23.57 Uhr
Als die Finsternis sich langsam wieder verzog und sein Bewusstsein allmählich wieder zurückkehrte, kamen auch die Schmerzen wieder. Anfangs war es nur ein dumpfer Schmerz, der sich fast ausschließlich auf seinen Kopf und seinen Hintern begrenzte. Als er jedoch langsam sein volles Bewusstsein wiedererlangte, weitete der Schmerz sich aus. Es fühlte sich an, als habe jemand seinen Schädel gespalten und seinen After aufgerissen.
Und dann kam die Kälte.
Simon spürte, wie eine sanfte Brise über seinen Rücken strich. Er begann zu zittern.
Bin ich nackt?, fragte er sich. Wo bin ich hier?
Die Kälte schien seine Schmerzen noch zu verstärken. Er stieß ein Stöhnen aus.
»Wach! Endlich!«
Simon hatte das sehr vage Gefühl, die Stimme schon einmal gehört zu haben.
Er öffnete die Augen ein wenig, musste sie jedoch sofort wieder zusammenkneifen. Das Licht – Sonnenlicht? – war entsetzlich grell. Er versuchte, sich zu bewegen, musste jedoch feststellen, dass seine Hände festgebunden waren.
Ich bin gefesselt?
Er begann, leise zu weinen. Aus der Tatsache, dass er den Wind zwar hören, aber nicht spüren konnte, folgerte Simon, dass er sich irgendwo drinnen befand.
Und er lag auf einer weichen Matratze. Ganz offensichtlich war er an ein Bett gefesselt. Nackt.
Mit dem letzten bisschen Kraft, das er noch in sich spürte, versuchte Simon, sich von seinen Fesseln zu befreien. Sie waren zu eng und er stellte seine Versuche schon nach kurzer Zeit ein.
Er hob sein Gesicht vom Kissen und drehte seinen Kopf in die Richtung, aus der die Stimme gekommen war. Durch die schmalen Schlitze seiner Augen sah er einen großen Mann auf dem Nebenbett liegen. Sein rundes Gesicht war von einem grotesken Grinsen verzerrt.
Wer ist das?, fragte sich Simon stumm. Und was wird er mit mir machen?
Als der große Mann von seinem Bett aufsprang, ein manisches Glänzen in den Augen, wusste Simon, dass er es schon sehr
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