Das Motel
nicht wehtun. Er würde versuchen, mit ihr zu reden. Sie zur Vernunft zu bringen. Erklären, was wirklich passiert war. Und sie würde es verstehen. Er gehorchte und bewegte sich auf die Hütte zu.
»Versuch keine Tricks, Morrie. Ich weiß, dass du meine Waffe hast.«
Er drehte sich um. »Was? Deine Waffe?«
»Umdrehen und Maul halten!«
Er drehte sich um und ging weiter.
Er öffnete die Hüttentür und trat hinein und Madge folgte nur wenige Schritte hinter ihm.
»Das ging aber schnell …« Als Judy Madge mit dem Baseballschläger in der Hand sah, riss sie die Augen auf und klatschte eine Hand auf ihren Mund.
»Aufs Bett. Hinsetzen, alle beide.«
Morrie nahm die Kapuze ab und setzte sich neben Judy.
»Was ist denn hier los?«, wimmerte Judy.
»Sei still«, fauchte Madge.
Sie knallte die Hüttentür zu, ließ die beiden aber keine Sekunde aus den Augen.
Erst als Morrie Madge im hellen Licht der Zimmerlampe sah, fernab der finsteren Nacht und des Sturms, fiel ihm die Seilrolle auf, die um ihren Hals lag.
Der Anblick machte ihn noch nervöser als der Baseballschläger. Was zur Hölle hatte sie nur vor? Er warf einen Blick auf die Adidas-Tasche, in der sich sein Gewehr befand. Sie lag direkt neben Madge. Sollte er es riskieren? Nein, nur als allerletzten Ausweg, beschloss er.
»Bitte, Madge. Ich kann das erklären. Nimm den Schläger runter.«
Madge kam ein paar Schritte näher. Sie schaute Morrie an und er erkannte Tränen in ihren Augen. Er wusste, dass es keine Regentropfen waren. Ihre Augen waren ganz rot und glasig, und es lag ein tieftrauriger Ausdruck darin.
Sie tat ihm leid. Aber nicht für lange.
Mit einer Geschwindigkeit, die er einer Frau in Madges Alter niemals zugetraut hätte, ließ sie den hölzernen Baseballschläger auf Judy hinuntersausen. Es war ein dumpfer Schlag zu hören, als der Schläger mit voller Wucht ihre Wange traf und Judy anschließend nach hinten kippte.
Morrie schrie auf und war vom Anblick seiner reglosen Frau so verstört, dass er noch nicht einmal sah, wie Madge ein zweites Mal mit dem Schläger ausholte – dieses Mal gegen seinen Kopf.
Sie traf ihn direkt über der Schläfe.
Der Schmerz war unglaublich und vor seinen Augen blitzte ein grelles Weiß auf, ganz ähnlich wie der Blitz, den er kurz zuvor beobachtet hatte.
Dann kippte er seitlich aufs Bett.
KAPITEL 46
Schockiert öffnete Simon die Augen. Irgendwie hatte er es tatsächlich geschafft einzuschlafen. Er warf einen Blick auf den Radiowecker und stellte mit Schrecken fest, dass er fast 40 Minuten geschlafen hatte. Voller Angst drehte er den Kopf und schaute sich im Raum um. Im Badezimmer war es noch immer dunkel und das andere Bett war nach wie vor leer. Der Mann war noch nicht zurück.
Wo kann er bloß hingegangen sein?, fragte sich Simon.
Draußen tobte noch immer der Sturm. Irgendetwas – ein Donnerschlag? – hatte ihn geweckt.
Er drehte sich um und sah, dass die Kerzen bereits um ein Viertel heruntergebrannt waren.
Sein Plan.
Er hatte sich lange genug ausgeruht. Der Schlaf hatte seinen Zweck erfüllt.
Obwohl seine Schmerzen noch immer genauso stark waren und die Kälte erneut in seine Glieder kroch, fühlte Simon sich ein klein wenig kräftiger. Er hatte das Gefühl, dass er nun versuchen konnte, seinen Plan in die Tat umzusetzen.
Dann wollen wir mal, dachte er.
Er stellte sich mental auf die unglaubliche Anstrengung ein, die vor ihm lag, ballte seine Hände verbissen zu Fäusten und begann mit all der Energie, die er aufbringen konnte, an seinen Fesseln zu zerren.
Da das Bett irgendein billiges Fabrikat war, war es nicht allzu schwer. Ein Mann, der neben dem Bett stand und nur einen Bruchteil seiner Körperkraft aufwandte, wäre mit Leichtigkeit in der Lage gewesen, es anzuheben.
Einem jungen Mann, dem seine Körperkraft fast völlig genommen worden war und dessen Beine praktisch nutzlos waren, sollte es daher hoffentlich möglich sein, das Bett zumindest ein kleines Stückchen zu verrücken.
Er zerrte, zappelte und wand seine Hände und seinen Oberkörper hin und her und das Bett kratzte ächzend über den Boden.
Es gelang ihm, mit dem Kopfende ein paarmal gegen die Wand zu stoßen.
Die Kerzen wackelten jedoch nicht ein einziges Mal.
Die leichten Vibrationen, die das Bett auf dem Boden verursachte, reichten nicht aus, ebenso wenig, wie mit dem Kopfende gegen die Wand zu donnern.
Vollkommen erschöpft von der kurzen, aber immensen Anstrengung entspannte Simon seine Muskeln ein wenig
Weitere Kostenlose Bücher