Das Multiversum 2 Raum
säuerlich: »Wie kommt's, dass die Gaswolke den Stern wieder eingehüllt hat?«
Sie flogen an der Rückseite der Sonne vorbei. Trotz der aufwen-digen Abschirmung schien das Licht in jede Ritze des FGB-Moduls zu kriechen. Madeleine war erleichtert, als sie endlich wieder auf Gegenkurs gingen und der Kühle des äußeren Systems und diesem mysteriösen Einzelplaneten zustrebten.
Sie brauchten einen Tag, um zu ihm zu gelangen. Sie erreichten ihn mit der Sonne im Rücken, sodass er sich als eine fast volle Scheibe abzeichnete. Die geschlossene, von Pol zu Pol sich erstre-ckende Wolkendecke leuchtete schäfchenweiß. Sie blendete den Betrachter fast und zeigte keinerlei Merkmale. Und sie wurde von perlig glühendem interstellarem Wasserstoff umhüllt, der wie eine gewaltige deformierte zweite Atmosphäre anmutete.
Die Blüten des Blumen-Schiffs öffneten sich weit, die Laser feuerten heftig und bremsten das Schiff sanft ab, bis es in einer Umlaufbahn war.
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Sie sahen nichts von der Oberfläche. Doch die Instrumente enthüllten eine Welt, die tatsächlich wie die Venus war: Eine viele Kilometer dicke Atmosphäre aus Kohlendioxid über einem trockenen Boden.
Es gab dort natürlich auch kein Leben.
Die Chaera drehte sich zufrieden im Tank.
Ben war irritiert. »Es gibt keine Erklärung, weshalb eine Venus in dieser Entfernung von der Sonne entstehen sollte. Diese Welt müsste wohltemperiert sein. Eine Erde.«
»Aber bedenken Sie«, zischte Nemoto, »dass diese Welt etwas hat, das die Erde nicht hat.«
»Die Gaswolke«, sagte Madeleine.
Ben nickte. »Der interstellare Wasserstoff. Madeleine, wir sind hier so weit von der Sonne entfernt und das Gas ist so dicht, dass der Wasserstoff neutral ist – und nicht vom Sonnenlicht ionisiert wird.«
»Und deshalb …«
»Und deshalb hat der Planet keinen Schutz gegen das Gas; kein Magnetfeld, das ihn abhalten könnte. Der Wasserstoff regnet vom Himmel in die oberen Luftschichten.«
»Dort vermischt er sich mit dem vorhandenen Sauerstoff«, sagte Nemoto. »Wasserstoff plus Sauerstoff ergibt …«
»Wasser«, sagte Madeleine.
»Und zwar reichlich«, sagte Ben zu ihr. »Es muss für eine Million Jahre wie aus Kübeln geregnet haben. Die Atmosphäre verlor den Sauerstoff und wurde stattdessen mit Wasserdampf gesättigt.
Ein Treibhauseffekt setzte ein …«
»Und das alles wegen ein paar Gasschwaden?«
»Diese Gasschwaden waren ein Planeten-Killer«, flüsterte Nemoto.
»Aber wieso sollte jemand einen Planeten zerstören?«
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»Das liegt in der Logik des Wachstums«, sagte Nemoto. »Diese Zone hat die Merkmale eines alten Systems, Meacher. Sie befindet sich im Hinterland einer Kolonisationswelle; ihre nutzbaren Ressourcen wurden gefördert und ausgebeutet …«
»Was glauben Sie, wie lang das schon her ist?«
»Ich weiß nicht. Einige Millionen Jahre bestimmt.«
Nemoto grunzte. »Hören Sie mir zu. Die Wachstumsrate der menschlichen Population auf der Erde betrug im historischen Durchschnitt zwei Prozent pro Jahr. Das hört sich nicht nach sehr viel an, nicht? Aber stellen Sie den ›Zinseszins‹ in Rechnung. Bei dieser Zuwachsrate verdoppelt die Population sich alle fünfunddreißig Jahre, was einer Verzehnfachung in einem Jahrhundert entspricht. Natürlich ist unser Wachstum nach dem zwanzigsten Jahrhundert eingebrochen; uns gingen nämlich die Ressourcen aus.«
»Aha«, sagte Ben. »Was, wenn wir weiter gewachsen wären?«
»Wie viele Menschen würde die Erde verkraften?«, flüsterte Nemoto. »Zehn, zwanzig Milliarden? Meacher, das innere Sonnensystem bis hinaus zum Mars enthält Wasser für maximal fünfzig Milliarden Menschen. Es hätte vielleicht ein Jahrhundert gedauert, um diese Zahl zu erreichen. Natürlich gibt es in den Asteroiden und im äußeren System viel mehr Wasser als in den Weltmeeren – vielleicht so viel, um zehn Trillionen Menschen zu versorgen.«
»Eine gewaltige Zahl.«
»Aber nicht unendlich – und nur sechs Zehnerpotenzen von zehn Milliarden entfernt.«
»Sechs bis sieben Jahrhunderte«, sagte Ben.
»Und was dann?«, flüsterte Nemoto. »Angenommen, wir starten eine Kolonisation wie die Gaijin. Die Erde wird auf einmal der Mittelpunkt einer expandierenden Sphäre der Kolonisation, deren Volumen jährlich um zwei Prozent wachsen muss, um mit dem Bevölkerungswachstum Schritt zu halten. Und das bedeutet wiederum, dass die Vorhut, die kolonisierende Welle wegen des Drucks 293
der Nachrückenden immer schneller werden muss. Sie
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