Das Multiversum 2 Raum
war Wanpamba, der Ururenkel von Kimera, der den Hügel von Rubaga aushöhlte und Kimeras Seele hier ablegte …« Und so weiter: Eine Menge poetischen, mythischen Krams, aber nur wenig harte Fakten. »Wissen Sie, diese alten Mythen mussten aus den letzten Enzyklopädien rekonstruiert werden, weil die Menschen sie vergessen hatten – aber lassen Sie das nur nicht den Kabaka hören …«
De Bonneville schloss die Augen und sank mit einem Seufzer auf die Pritsche.
Die offensichtlich nervöse Nemoto zupfte Malenfant am Ärmel.
Ihr Gesichtsausdruck war unmissverständlich. Die Zeit war um; sie sollten von diesem ungesunden Ort verschwinden.
Malenfant erkannte, dass er keine andere Wahl hatte. Als er ging, spürte er die ganze Zeit de Bonnevilles Blick im Rücken.
Vor dem grässlichen Wohnheim schaute Malenfant in die Schwärze der tiefen Grube. »Nemoto, was ist dort unten?«
»Dort unten lauert der Tod. Malenfant, wir müssen gehen.«
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»Es ist die Maschine von Kimera, was, zum Teufel, sie auch darstellt. Sie wissen es, nicht wahr? Oder Sie glauben es zu wissen. Rubaga hat die einzige Strahlungsanomalie-Signatur auf der Erde …«
Ihr Gesicht war so ausdruckslos wie die Fratze ihres Buddhas aus Mondgestein. »Wenn Sie gegrillt werden wollen, Malenfant, müssen Sie schon allein gehen.« Sie drehte sich um und ging davon.
Er blieb allein bei der Wache zurück.
Die Wache schaute ihn fragend an. Malenfant zuckte die Achseln und wies nach unten.
Er ging zum Rand der durch kein Geländer gesicherten Treppe – ein direkter Sturz in die Tiefe – und schaute nach unten in die Dunkelheit. Es schien eine Brise von oben zu wehen, die ihm über den Nacken strich und von der Grube angesaugt wurde, als habe die Welt dort unten ein Leck. Von hier aus würde er jedenfalls nichts herausfinden. Wohin ging die Luft? Gab es einen Tunnel, eine Art großen Extraktor?
Das einzige Licht kam von den Flammen der Fackeln, die im ab-wärtsgerichteten Luftzug flackerten, und Malenfants Augen ge-wöhnten sich allmählich an die Dunkelheit.
Er machte einen großen, zu Pulver zerstampften Erzhaufen aus, der sich in einer offenen, in den Fels gehauenen Kammer befand.
Vielleicht handelte es sich bei diesem Erz um das Uranoxid, von dem de Bonneville gesprochen hatte. Lange Speere aus einer Substanz, die wie Holzkohle aussah – wie verkohlte Baumstämme –, ragten überall aus dem Haufen. Wasser strömte durch Kanäle in der Wand und tönerne Röhren und wurde in den Haufen geleitet.
Er schätzte, dass der Haufen aus hundert Tonnen Uranoxid bestand, und er war mindestens mit vierzig verkohlten Stämmen gespickt.
Die Kammer war voller Leute.
Es handelte sich überwiegend um große Aufrechte, etliche kompakte Hominiden und ein paar Waganda: Männer, Frauen und 506
Kinder, die sich in der schwülen Hitze durch die Dunkelheit schleppten und den Haufen bedienten wie einen hässlichen Gott.
Sie zerrten an den Holzkohlestämmen, zogen sie aus dem Uranoxid heraus oder stießen sie tiefer hinein. Oder sie fuhren primitive Schubkarren mit Uranoxid-Pulver zum Haufen und füllten ihn ständig auf. Die schlechte gesundheitliche Verfassung sah Malenfant ihnen sogar von hier aus an. Aus seiner Perspektive wirkte die Szenerie wie ein quirliger Ameisenhügel.
Der Haufen war glühend heiß – Malenfant spürte den Hauch der Hitze im Gesicht –, und das Wasser trat an der Basis des Haufens als Dampf zutage, der tosend durch Rohre geleitet wurde. Es gab aber jede Menge Lecks, sodass der hässliche Haufen von Wasserdampf umwabert wurde.
Das Prinzip war offensichtlich. Der Haufen war eine Energiequelle. Der vom Haufen erzeugte Dampf musste durch einfache Pumpen und andere hydraulische Vorrichtungen die verschiedenen Gimmicks antreiben, die er gesehen hatte: Mtesas Hebethron und die Springbrunnen. Vielleicht wurde das Wasser, das durchs System lief, durch die Kraft des Dampfs aus einer tieferen Grund-wasserschicht heraufgepumpt.
Aber es musste immer noch ein Energieüberschuss bestehen.
Und nun erkannte er eine andere Gestalt, die aus einer tieferen Kammer an der Basis der Grube auftauchte. Es war eine Frau. Sie sah aus wie eine Kreuzung zwischen einem Hominiden und einem Aufrechten: Große Gestalt, dicker Hals, vorgestoßener Kopf. Sie trug einen Anzug aus einem durchsichtigen Plastikmaterial, der Rumpf, Hände und Kopf umhüllte. Er kannte sie aus hundert Fernsehsendungen und Abbildungen in Schulbüchern. Sie war ein Neandertaler: Noch ein
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