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Das Multiversum 2 Raum

Das Multiversum 2 Raum

Titel: Das Multiversum 2 Raum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen Baxter
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verbrachte einige Zeit mit Carl ap Przibram. Wenn es hier jemanden gab, den sie auch nur annähernd als Freund zu bezeichnen vermochte, dann ihn.
    Sie aßen in seiner Unterkunft zu Abend. Das Essen fand in einer gezwungenen Atmosphäre statt. Die Recycling-Schleifen waren eng – so unlogisch es auch war, es fiel ihr schwer, Nahrung zu verzeh-ren, die ein paar Mal durch Carls Körper gegangen sein musste.
    Beiläufig machte sie ihm das Angebot, mit ihm zu schlafen. Aber dieses Angebot entsprang eher der Höflichkeit als der Lust, und er lehnte genauso höflich ab – insgeheim waren sie wohl beide erleichtert, vermutete sie.
    Madeleine verbrachte ihren letzten Tag auf Merkur in der Paulis-Mine in Caloris. Sie war eine fünfhundert Meter breite Röhre mit transparenten Wänden, hinter denen das Gestein orangefarben glühte. Die Mine war der ›große Bruder‹ von Frank Paulis' erstem Schacht auf dem Mond. Sie war aber nie fertiggestellt worden und würde das wohl auch nie werden, doch nun erfüllte sie einen neuen Zweck als Tiefbunker für die letzten Reste der Menschheit.
    630
    Man hatte riesige Böden aus Spinnenseide und Aluminium in den Schacht eingezogen. Sie wurden von Versorgungsleitungen, Stromkabeln und einer großen Säule mit offenen Fahrstühlen durchbrochen. Hier war die Hälfte der Merkur-Population, eine halbe Million Menschen, in Blasen aus Spinnenseide und Aluminium untergebracht – in Sicherheit vor der Strahlung, der Sonnen-hitze und der Kälte im Schatten. Der Paulis-Tunnel war jedoch nicht mit Druck beaufschlagt, sodass die Blasen durch flexible Stege miteinander verbunden waren. Die Ebenen waren dunstig und durchscheinend, genauso wie die Habitat-Blasen. Beim Blick in die glühende Grube der Menschheit sah Madeleine die in den vielen Etagen verteilten Leute. Sie bewegten sich in den Habitaten wie Mikroben in Wassertropfen, die in einer diesigen lichterfüllten Unendlichkeit hingen.
    Es war allgemein bekannt, dass sie heute abreisen wollte. Auf den oberen Ebenen schauten viele Leute zu ihr empor – sie sah die Gesichter als fahle Ovale. Sie war immer schon isoliert gewesen, vor allem in diesem letzten Fallschirm-Sprung in die menschliche Geschichte. Vielleicht war sie auch schon zu alt oder einfach zu entwurzelt. Sie hatte zudem das Gefühl, dass die geflüchteten Triton-Kolonisten ihr mit Ablehnung begegneten – als ob sie, die sie sie hierher geführt hatte, irgendwie an der Katastrophe schuld sei, die ihre Heimat ereilt hatte.
    Aber das war jetzt auch egal. Sie kehrte der glimmenden Paulis-Mine, dem Lager der Menschen, den Rücken und ging zurück an die Oberfläche.
    ■
    Sie startete vom Merkur und flog durch eine Wolke von ZerstörerSchiffen.
    631
    Sie befand sich in einem Wald aus Segeln. Auch die zum Teil ge-refften Segel hatten noch eine beeindruckende Größe und spannten sich über Dutzende Kilometer – als ob große Stücke aus einer Landschaft gerissen und in den Weltraum geschleudert worden wä-
    ren. Manche Segel waren nicht gerefft, sondern durchsichtig geworden, sodass das helle Licht der Sonne durch skelettartige Strukturen aus leuchtenden Fäden schien. Und die Schwingen hatten ei-ne komplexe Morphologie: Sie verformten und wellten sich, wahrscheinlich je nach der Intensität des einfallenden Lichts und den Schatten, die die benachbarten Segel warfen.
    Die Schiffe der Invasoren flogen in dichten Formationen: In gro-
    ßen, vielfach gestaffelten Schichten, deren Abstände manchmal nur einen halben Kilometer betrugen. Das waren winzige Lücken im Vergleich zur riesigen Ausdehnung der Flügel. Manchmal kamen sie sich so nah, dass eine Welle in einer Schwinge sich auf die benachbarten übertrug, sodass ganze Stapel von Flügeln in Bewegung gerieten wie beim Umblättern der Seiten eines riesigen Buches. Madeleine sah aber nicht, dass diese mächtigen Schwingen sich auch nur einmal berührt hätten; die Koordination war verblüffend.
    Madeleine durchstieß diese Zusammenballung in ihrem kleinen Gaijin-Landungsboot. Die ästhetischen Schwingen zogen sich einfach vor ihr zurück.
    In einer Entfernung von zehn Merkurdurchmessern schaute sie zurück.
    Merkur war eine Gesteinskugel von der Größe ihrer Faust, auf Armlänge betrachtet. Er sah aus, als ob er in viele Lagen Silberpa-pier gewickelt sei wie ein Weihnachtsgeschenk – oder als ob riesige silberne Bienen ihn umschwärmten. Ein wunderschöner Anblick, sagte sie sich. Aber wenn sie in ihrer langen und zweifelhaften Laufbahn

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