Das Multiversum 2 Raum
sie schienen sich vielmehr im Gürtel aufzufä-
chern, wobei manche sich sogar rückwärts bewegten, in Gegenrichtung des restlichen Gürtels.
Die Bewegung war faszinierend.
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»Stellen Sie sich die Pfeile rückwärts gerichtet vor«, sagte Nemoto.
»Aha«, sagte Malenfant. »Ja. Sie würden konvergieren.«
Nemoto ließ eine Routine laufen, um auf der Grundlage der Ge-schwindigkeitsvektoren der Gaijin-Standorte rückwärts zu extrapo-lieren. »Das ist Pi mal Daumen«, gestand sie ein. »Ich musste viele Spekulationen anstellen, wie die Bahnen der Objekte im Schwerefeld der Sonne von einfachen Orbits abgewichen waren. Aber es hat nicht lang gedauert, bis ich eine Antwort gefunden habe.«
Die projizierten Pfade führten bogenförmig aus dem Asteroidengürtel hinaus – sie entfernten sich von der Sonne und führten weiter in den Leerraum hinein, bevor sie zusammenliefen.
Malenfant tippte auf den Bildschirm. »Sie haben ihn gefunden.
Den Hauptstrahler. Wo diese Sonden oder Fabriken oder was zum Teufel sie sind herkommen.«
»Er ist eins komma vier mal zehn hoch vierzehn Meter von der Sonne entfernt. Das ist…«
»Etwa tausend astronomische Einheiten weit draußen.« Die tau-sendfache Entfernung der Erde von der Sonne. »Irgendwo in der Richtung von Virgo … Aber wieso dort?«
»Ich weiß nicht. Ich brauche noch mehr Daten und muss weitere Untersuchungen durchführen.«
»Und der zweite Punkt?«
Sie beäugte ihn. »Sie treffen sich mit Maura Della. Fragen Sie sie nach Rigil Kent.«
Rigil Kent. Auch bekannt als Alpha Centauri, das der Sonne nächste Sternensystem, vier Lichtjahre entfernt.
»Nemoto …«
Aber die Softscreen hatte sich schon wieder mit dem Chaos der Online-Nachrichtenkanäle gefüllt; Nemoto hatte sich in die Dunkelheit zurückgezogen.
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■
Er wurde von der ehemaligen Kongressabgeordneten Maura Della zum Mittagessen eingeladen.
Nach dem Essen spazierten sie durch die Konferenzhalle und warfen einen Blick auf die Plakate und Nebenveranstaltungen. Malenfant fühlte sich unbehaglich in der Öffentlichkeit, wie auf dem Präsentierteller.
»Ich würde mir keine allzu großen Sorgen machen«, sagte Maura. »Jedenfalls nicht hier; Sie müssen sich aber vor den Leuten hü-
ten, die zu Hause bleiben und die Zielfernrohre ihrer Flinten putzen.«
»Das ist nicht witzig, Maura.«
»Wahrscheinlich nicht. Verzeihung.«
Sie hatte während des Essens kaum ein Wort gesprochen, und nun vermochte er sich nicht mehr zurückzuhalten. »Rigil Kent«, sagte er.
Sie blieb stehen. »Sie haben mir die Überraschung verdorben«, sagte sie mit leiser Stimme. »Ich hätte aber wissen müssen, dass Sie dahinterkommen.«
»Was ist los, Maura?«
Anstatt ihm zu antworten, führte sie ihn zu einer kleinen Kaffee-bar mit überzogenen Preisen. Auf einer kleinen Softscreen zeigte sie ihm Bilder des großen Radioteleskops in Arecibo, verschiedener Mikrowellen-Satelliten und der Aktivitäten im Hauptgebäude am JPL: Konsolenreihen, junge aufgeregte Ingenieure auf Büro-stühlen mit Rollen, Daten, die über die vor ihnen stehenden Bildschirme wanderten.
»Malenfant, wir haben ein Signal aufgefangen. Von Alpha Centauri.«
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»Was … wie …«
Sie legte ihm den Finger auf die Lippen.
Wie sich herausstellte, gab es noch etwas mehr zu erzählen – obwohl diese Neuigkeit Mauras eigentliches Motiv gewesen war, ihn zum Essen einzuladen. Maura hatte die Neuigkeit von ihren Kon-taktleuten in der Regierung. Das Signal war schwach und von einem orbitalen Mikrowellen-Satelliten aufgefangen worden. Aber es hatte keine Ähnlichkeit mit den ordentlich strukturierten Lincos-Signalen, die die Menschen zum Asteroidengürtel gesendet hatten.
Es war stark komprimiert, ein Fetzen eines scheinbar substanzlo-sen Rauschens, das nur flüchtige Ansätze einer Struktur aufwies – genauso wie die Erde aus einer Entfernung von vier Lichtjahren vielleicht sich angehört hätte.
»Oder es ist ein Funktionssignal«, sagte Malenfant heiser. »Es ist sicher nicht billig, Signale zwischen den Sternen auszutauschen.
Man würde versuchen, Redundanzen – sich wiederholende Strukturen – möglichst zu vermeiden. Wenn man nicht weiß, wie man es entschlüsselt, muss ein solches Signal wie Rauschen anmuten …«
Wie dem auch sei, die Weiterungen waren klar. Dieses Signal war nicht für Menschen bestimmt.
Doch wer auch immer dort war bei Alpha Centauri, hatte eben erst angefangen zu senden – das heißt erst vor vier Jahren, wenn man
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