Das Multiversum 2 Raum
– wobei er den Mund fest geschlossen hielt und die Luft durch die Nase filterte. Die Luft war klar und hatte annähernd Raumtemperatur. Er roch nichts außer einer leicht säuerlichen Duftnote, die aber wahrscheinlich von ihm selbst stammte. Schließlich hatte er in einem engen Anzug gesteckt, den er sehr lang nicht mehr getragen hatte.
Er wurde in goldenes Licht getaucht, hinter dem er die Sterne ausmachte. Sie waren leicht getrübt, als ob er sie durch einen Rauchschleier sähe. Und dort war der gleißend helle Doppelstern von Alpha Centauri. Er hatte sich also nicht allzu weit vom Ausgangspunkt entfernt.
Wurde er von Wänden umgeben? Er sah weder Kanten noch Fugen oder Ecken. Er streckte die Füße und behandschuhten Finger aus. Die Fingerspitzen trafen auf eine weiche Membran. Plötzlich tauchte wie aus dem Nichts eine Wand auf, nur Zentimeter von seinem Gesicht entfernt: Eine glatte Fläche, die mit etwas überzogen war, das sich wie daumendicke Kabel anfühlte und die zugleich wie Sprossen aus der Wand ragten. Die Kabel waren etwas schwer zu packen, aber dann gelang es ihm, die Finger um sie zu schließen. Solcherart verankert fühlte er sich gleich viel wohler.
Die Wand war weich, weder warm noch kalt und schien völlig glatt zu sein. Sie krümmte sich stark um ihn. Vielleicht befand er sich in einer aufgepumpten Blase; den Durchmesser schätzte er auf 120
höchstens ein paar Meter. Aber sie war nicht fest aufgeblasen.
Wenn er gegen die Wand drückte, kräuselte sie sich in großen trä-
gen Wellen, in Pulsen aus goldenem Licht, die die Sterne im Takt der Schwingung ausblendeten.
Er piekste mit dem Fingernagel in die Membran. Sie fühlte sich an wie eine Art Kunststoff. Er hatte auch keinen Grund zu der Annahme, dass es sich um einen exotischen Werkstoff handelte, denn die Gaijin waren definitiv keine technischen Überwesen. Er hätte ohne weiteres eine Probe von diesem Zeug abzukratzen und es mit einem tragbaren Labor zu analysieren vermocht. Falls er ein solches Labor zur Verfügung gehabt hätte.
Etwas prallte gegen sein Bein. »Scheiße«, sagte er, hielt sich an den integrierten Sprossen fest und drehte sich um, bis er mit dem Rücken an der Wand stand.
Es war der Helm der Shuttle-EMU.
Er hob ihn auf und wendete ihn mit den behandschuhten Händen. Der Helm hatte einen Metallring, mit dem er im Hals des Anzugs arretiert wurde – das heißt, er hatte einen gehabt. Der Verschluss war wie mit einem Laserschneider abgetrennt worden.
Die Gaijin – beziehungsweise ihre Robotdrohnen hier am Rand des Alpha-Systems – hatten ihn in einer Hülle aus Gasen gefunden: Luft, die in etwa dem entsprach, was sie aus dem Äquivalent von Spektralanalysen über die Zusammensetzung der Erdatmosphäre gewusst haben mussten. Also hatten sie solche Gase in diese Umgebung geleitet, den Anzug geöffnet und dann wahrscheinlich das Beste gehofft.
Er streifte die Handschuhe ab. Den leichten Kopfhörer hatte er noch immer auf. Er nahm ihn ab und legte ihn in den Helm. Von der Manövriereinheit keine Spur.
… Und nun setzte eine Art Nachschock ein. Er lehnte sich gegen die sich kräuselnde Wand, durch die das goldene Licht von Centauri fiel – vier Lichtjahre von der Heimat entfernt. Die Roboter 121
waren intelligent gewesen, wie er sich schaudernd bewusst wurde.
Schließlich hatten sie, womöglich auch die Gaijin, eine nichtmenschliche Anatomie. Was, wenn sie sich davon hätten überzeugen wollen, ob sein Kopf abnehmbar war? Er fühlte sich alt, zerbrechlich und unendlich einsam – noch einsamer als in den langen Monaten des Flugs der Perry zum Sattelpunkt.
Was nun?
Alles der Reihe nach. Du brauchst eine Bio-Pause, Malenfant.
Er zwang sich, ins Kondom zu urinieren, das er noch immer trug. Er spürte, wie der warme Urin sich im Beutel sammelte, der in den Anzug eingenäht war. Urin, der auf wundersame Art und Weise über vier Lichtjahre transportiert worden war. Er sollte ihn vielleicht abfüllen; falls er jemals wieder nach Hause zurückkehrte, könnte er ihn vielleicht als Andenken an die erste Reise eines Menschen zu den Sternen verkaufen.
Er sah Bewegung, eine Leuchterscheinung hinter der Wand der Blase. Ein riesiges leuchtendes Objekt zog lautlos an ihm vorbei.
Er drehte sich, wobei er sich an den Sprossen festhielt und schaute hinaus. Er drückte das Gesicht an die Wand der Blase, wie er früher als Kind aus dem Fenster geschaut und auf Schnee gehofft hatte.
Die Leuchterscheinung war ein
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