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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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wissen.
    „Wollte essen in Schenke. Hatte Streit mit Söldner. Dachten
ich Gaukler, sollte machen Kunststücke, Vorstellung geben. Ich nicht wollen,
sie mich wollen zwingen. Dann ich geben Vorstellung – hat ihnen nicht
gefallen.“
    „Aha. Ich vermute, sie hatten an eine andere Vorstellung
gedacht.“
    „Sie sich nicht klar haben ausgedrückt“, sagte Li Chan und
zuckte mit den Schultern, „nicht meine Schuld.“
    „Leben sie noch?“, wollte Conrad wissen.
    „Ja. Ich töte nicht, wenn nicht sein muss“, erwiderte der
kleine Chinese ernst, beinahe entrüstet.
    So ganz wurde Conrad nicht schlau aus ihm, aber er war
bereit, alles für einen Ausbruch zu riskieren, wenn er auch noch so
aussichtslos erschien. Er durfte nichts unversucht lassen, so schnell wie
möglich hier herauszukommen.
    „Jetzt du“, sagte Li Chan. „Wie du kommen in Kerker?“
    „Das ist eine lange Geschichte.“
    „Oh, ich haben Zeit, habe nichts Besseres vor heute Abend.“
    Unwillkürlich musste Conrad an Wibald denken, den alten
Nachtwächter in Breuberg, dem er in der Nacht von Lines Verschwinden ebenfalls
seine Geschichte erzählt hatte. Damals hatte es ihm gut getan, darüber zu
reden.
    Was sprach dagegen, dem Chinesen zu erzählen, wie er hierher
gelangt war? Also erzählte er seinem Zellenkumpan von Line, Sven und Antonia,
die er als Antonio kennen lernte. Auch seinen unrühmlichen Auftritt im Rathaus beim
Stadtrichter ließ er nicht aus.
    In dem Chinesen hatte er einen sehr aufmerksamen Zuhörer,
der keine Fragen stellte, nur ab und zu mal nickte oder erstaunt aufsah. 
    Als er geendet hatte, erfuhr er von Li Chan, warum dieser in
Ungnade gefallen war. Er hatte sich verliebt. Ausgerechnet in eine der
Konkubinen seines Herrn, des Botschafters.
    Nur knapp war er dem Tod entkommen, war geflohen und
zunächst nach Italien gegangen.
    Er fand eine Anstellung am Hofe eines deutschen Edelmannes,
der zum Gefolge des damaligen Kaisers Otto IV. gehörte und in dessen Heereszug
nach Süditalien gezogen war. Als Otto während seines Feldzugs gegen Sizilien
vom Papst gebannt und von den deutschen Fürsten in seiner Abwesenheit abgesetzt
worden war, kehrte dieser sofort über die Alpen zurück nach Deutschland, mit
ihm der damalige Herr des Chinesen.
    So kam Li Chan nach Deutschland und lernte die deutsche
Sprache. Er verließ den Hof, als sein Herr starb und dessen Sohn keine
Verwendung mehr für ihn hatte und streifte seitdem ohne festes Ziel im Land
umher.
    Als Li Chan seine Geschichte beendet hatte, staunte Conrad.
Der Chinese musste älter sein, als er gedacht hatte, denn die Ereignisse, die
er schilderte, lagen zwanzig Jahre zurück. Damals war er selbst ein Kleinkind
gewesen.
    Wenn Li Chan damals dabei war, wie alt mochte er dann heute
wohl sein? Bei seinem runden, faltenfreien Gesicht und der schlanken, kleinen
Gestalt und dem fremdländischen Aussehen konnte Conrad unmöglich sein Alter
schätzen.
    Am übernächsten Tag war es so weit. Der Kerkermeister betrat
zusammen mit einem Büttel die Zelle, welcher wie immer neben der Tür stehen blieb.
Diesmal lobte der Chinese das wundervolle Essen ganz besonders. Wieder drohte
ihm der Kerkermeister, ihm das Maul zu stopfen und nannte ihn Schlitzauge.
    „Ich Schlitzauge“, sagte Li Chan lächelnd, „du Liese mit
Augen wie Flosch.“
    „Was hast du eben zu mir gesagt? Hast du mich etwa einen
Frosch genannt?“, fragte der Kerkermeister ungläubig.
    Der Büttel lachte lauthals, verstummte aber sofort, als er
die finstere Miene seines Vorgesetzten sah.
    „Nein“, mischte Conrad sich ein. „Er hat gesagt: , Liese
mit Augen wie Flosch ’, weil er Chinese ist und deshalb ‚ Riese mit Augen
wie ein Frosch ’ nicht aussprechen kann.“ Seelenruhig setzte er hinzu: „Aber
Kröte passt eher, wegen der Warzen.“
    Der stämmige Kerl schnappte nach Luft, während der Büttel Mühe
hatte, nicht erneut zu feixen.
    „Das ist Beleidigung“, sagte der Chinese empört zu Conrad,
„Beleidigung fül Klöte, Klöte sehl nützlich.“
    Im nächsten Moment passierte das Unvermeidliche. Wie ein
Berserker stürzte sich der massige Kerkermeister auf den schmächtigen Chinesen,
der inzwischen bis an die Wand zurückgewichen war.
    Doch Li Chan war darauf vorbereitet. Blitzschnell tauchte er
unter den Armen des Angreifers hindurch, der ihn an der Kehle packen wollte. Im
nächsten Moment war er in seinem Rücken und trat ihm von hinten zwischen die
gespreizten Beine. Der bullige Kerl brüllte auf und

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