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Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition)

Titel: Das mysteriöse Pergament 02 - Irrwege (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heiko Rolfs
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hätte. Zum Glück war alles gut
gegangen und die Kinder waren unversehrt.
    Er erinnerte sich an den lakonischen Ausspruch eines
Geistlichen angesichts der niedergemetzelten Menschen nach der Eroberung einer
Festung in Apulien: ‚ der Zweck heiligt die Mittel’ . Dann war der Pfaffe
niedergekniet, um für die Seelen der Erschlagenen zu beten, während die
kaiserlichen Truppen die noch lebenden Mägde schändeten.
    Der junge Ritter atmete tief durch und vertrieb die trüben
Gedanken. Es war überstanden, Line war gerettet. Nur das zählte. Sie musste ja
nicht unbedingt erfahren, wie sie das angestellt hatten. Er würde sagen, sie
hätten den Henker bestochen.  
    Conrads Nerven lagen blank, als er tatenlos zusehen musste,
wie Line lebendig begraben wurde. Es hatte ihn fast übermenschliche
Beherrschung gekostet, sie nicht mit Gewalt zu befreien. Li Chan hatte ihn
zurückgehalten und damit verhindert, dass er im letzten Moment noch eine
Dummheit beging, die Line nicht geholfen und ihn selbst sicher in den Turm
gebracht hätte.
    Aber was, wenn Line schon zu lange in der Grube gewesen war
und der Arzt sie nicht mehr retten konnte? Sein Blick schweifte ständig zu der
Plane, unter der Line von dem jüdischen Arzt versorgt wurde.
    Conrad ritt zu Li Chan hinüber. „Sag mal, wenn der Henker
nicht kooperiert hätte, du hättest den beiden Kleinen doch wohl nicht
tatsächlich etwas angetan?“, wollte er wissen.
    „Henker hat es geglaubt.“ Der kleine Mann zuckte mit den
Schultern. „Das genügt.“ Dann grinste er verschmitzt.
    Der junge Ritter atmete auf. Nein, sein kleiner Freund war
ganz sicher nicht fähig, eine solche Gräueltat zu vollbringen.
    Dicht ritt Conrad an den Wagen heran und spähte durch einen
Spalt in der Plane.
    Der Arzt öffnete Lines Kleid, um ihr das Atmen zu
erleichtern. Dann tat er etwas, das Conrad wieder alle Selbstbeherrschung
abverlangte, um ruhig zuzusehen.
    Er streckte Lines Kopf nach hinten, öffnete ihren Mund und
presste den Seinen darauf.
    Conrad fiel ein, dass er diese merkwürdige Behandlung schon
einmal gesehen hatte. Während des Kreuzzuges war ein Ritter bei der Überquerung
eines Flusses fast ertrunken und alle hielten ihn bereits für tot. Ein
sarazenischer Arzt hatte dem Ritter damals das Leben gerettet, indem er ihm
seinen Atem eingehaucht hatte.
    Hoffnungsvoll bemerkte er, wie Lines Brustkorb sich hob.
    Kurz darauf kreuzte der Arzt seine Hände und drückte kräftig
auf Lines Brustbein. Diese Prozedur wiederholte er mehrere Male.
    Plötzlich bäumte sich Lines Körper auf und sie tat einen
tiefen Atemzug. Endlich atmete sie allein. Der Arzt fühlte ihren Puls und
nickte zufrieden.
    Conrad war grenzenlos erleichtert.
    „Sie wird leben“, sagte der alte Arzt und richtete sich auf.
Er  hatte bemerkt, dass er beobachtet wurde. „Aber sie ist noch sehr schwach.
Sie braucht jetzt vor allem Ruhe.“
    Dann machte er eine Pause, bevor er bedächtig weiter sprach:
„Sie hat eine Weile zu wenig Sauerstoff erhalten. Ihr müsst darauf gefasst
sein, dass sie vielleicht dauerhafte Schäden davonträgt, Herr.“
    „Was für Schäden?“, wollte Conrad besorgt wissen.
    „Erinnerungslücken, Sprachprobleme, vielleicht muss sie auch
erst wieder neu laufen lernen. Alles ist möglich. Aber es muss nicht sein.“
    Dann fügte er nachdenklich hinzu: „Ich habe das Mädchen
beobachtet, bevor es eingegraben wurde. Sie war völlig teilnahmslos, nahezu lethargisch,
als hätte sie bereits mit dem Leben abgeschlossen. Das kann von Vorteil sein.
Je mehr man dagegen ankämpft, desto schneller erstickt man, weil der Körper
dann viel mehr Sauerstoff benötigt.“
    Conrad wollte sich jetzt keine Gedanken darüber machen, wie
lange Line brauchen würde, um wieder völlig gesund zu werden. Jetzt kam es erst
einmal darauf an, sie an einen sicheren Ort zu bringen. Dann hätten sie alle
Zeit der Welt.
    Er beobachtete den jüdischen Arzt, der Line einen Trank
eingeflößte, der ihren Kreislauf stärken sollte. Aber die Mine des Juden blieb
besorgt.
    „Herr“, sprach er Conrad an. „Wenn das Mädchen nicht bald an
einen warmen Ort gebracht wird, kann ich wenig tun. Ihr Körper muss unbedingt
aufgewärmt werden, sie ist stark unterkühlt, sie braucht ein warmes Bad und
eine kräftige Suppe. Auch benötige ich heißes Wasser, um wirksame Tränke
herzustellen.“      
    Conrad traf einen Entschluss. Bis zur Burg Breuberg würden
sie es an diesem Tag nicht mehr schaffen. Sein Ziel war deshalb

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