Das Mysterium Des Himmels
ein Fisch sprang hoch und klatschte zurück auf die sanften Wellen. Eine leichte Brise wehte herüber und die Nacht schien in diesem Moment vor dem kommenden Tag stehenzubleiben. Auch die Menschen rührten sich nicht und staunten noch immer die Burg an. Jetzt erblickte Amadas einen älteren Mann, der ihm in seiner Kleidung fremd erschien. Er sah nicht aus wie einer der Kelten und auch nicht wie jemand, der aus seiner Heimat stammen würde. Offenbar hatte er den Fremden so angestarrt, dass der auf ihn reagierte. Er winkte ihn zu einem kleinen Wäldchen, das sich in der Nähe der Einmündung eines Flusses in den großen Strom befand. Es war offenbar eine Vorsichtsmaßnahme, denn noch immer sprachen die Menschen nicht und so würden sie die Stille nicht stören.
Kaum waren sie zwischen den Bäumen angekommen, da nahm der Mann seine rechte Hand vor den Mund und sprach. »Quintus Tessius, Weinhändler aus Etrurien. Die Götter mögen mir verzeihen, aber ich bin ganz schrecklich aufgeregt. Nach einem langen Leben komme ich zurück und ich habe so gut wie keine Erinnerung mehr an das, was es hier an Gebräuchen gibt, die ich selbstverständlich einhalten will.«
Amadas fühlte sich ein wenig geschmeichelt, aber helfen konnte er dem grauhaarigen Mann nicht so recht. »Amadas aus Alexandrien. Meine Reise führte mich am Meer entlang durch die Gebirge bis hierher. Ich bin niemand, der mehr ist als ein hoffentlich aufmerksamer Beobachter.«
Doch damit gab sich Quintus Tessius nicht zufrieden. »Amadas scheint mir jemand zu sein, der seinen Kopf hat und mit klaren Augen die Menschen betrachtet. Wir stehen am Ufer des Flussgottes Danuvius, daran erinnere ich mich. Ich war noch ein Kind, als man mich ergriff und den endlos langen Strom hinab verschleppte. Ein Weinhändler nahm mich auf und seitdem lebe ich in Etrurien. Man rief mich einmal Irscha, weil ich so tapsig wie ein Bär war. Meine Sippe habe ich nie wiedergesehen. Ich weiß nicht einmal mehr, wo sie hier gelebt haben.«
Amadas hörte die Schilderung an und dachte an Atles und die jungen Männer, die von den Feinden verschleppt worden waren. Quintus Tessius hatte wohl ein ähnliches Schicksal erleben müssen. Er wollte gerne helfen, aber sein Wissen über das Land reichte dazu bei Weitem nicht aus. Also wich er einer Antwort aus und stellte eine Frage.
»Welchen Namen darf ich wählen? Quintus Tessius oder Irscha?«
Doch der Weinhändler schaute über den Fluss und hörte nicht zu. Dann hob er einen Arm und bewegte ihn in einem Halbkreis. »Es ist Mittsommer. Ich erinnere mich wieder. Zünden wir die Feuer an und bitten darum, dass es den lebenszerstörenden Mächten nicht gelingen möge, den Lauf der Sonne anzuhalten.« Er sprach es und lachte dazu fröhlich.
Amadas hatte einen anderen Gedanken und kam darauf zu sprechen. »Wohin reist Irscha von hier, wenn ich fragen darf?«
Der Mann sah ihn an und beugte sich zum Wasser hinab, nahm zwei Hände voll und tauchte sein Gesicht darin ein, sodass das Nass am Kinn zusammenlief und von dort auf den Boden tropfte.
»Erst nach dem Fest und auch nur, wenn sich noch einige Wagen anderer Händler finden lassen, denen ich mich anschließen kann. Dann soll es nach Menosgada gehen. Das liegt auf einem Berg über dem Fluss Moin. Menosgada ist eine wahre Festung. In dem Berg leben die Unterirdischen. Das sind kleine Wesen, die nicht höher wachsen als ein Menschenbein. Solange sie dort sind, werden auch die Menschen von Menosgada dort leben dürfen. Aber von Osten her gibt es immer wieder Angriffe. Deshalb will ich nicht alleine reisen. Hinter den Wäldern im Nordosten leben schreckliche Barbaren.«
Amadas wurde recht neugierig. »Dort im Norden würde ich mich gerne auch einmal umsehen. Wenn solche Burgen wie hier mitten im Land gebaut werden, ist es wohl doch zu gefährlich. Wie es heißt, dürfen wir hier nicht auf die Burg hinauf. Dabei ist sie so prächtig und ich staune darüber, wie sie die hohe Mauer haben fertigstellen können.«
Der Weinhändler war unschlüssig. Fremde nahm er nie mit und misstrauisch war er grundsätzlich, das gehörte zu seinem Geschäft. Als junger Mann hatten sie ihm einmal einige Ampeln mit Wein abgeluchst, als er sich gutmütig und zur Unterhaltung auf dem langen Weg durch die Berge mit zwei Fremden eingelassen hatte. Das war ihm nie wieder passiert.
»Es ist ebenso möglich, dass ich mich zu einer Fahrt den Strom hinauf entscheide«, sagte Irscha.
Amadas nickte. Er hatte verstanden.
Weitere Kostenlose Bücher