Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
Vom Netzwerk:
Arme schmerzten, mit solcher Wucht schlug sie den Rahm. Der Rahm wurde
     schwer. Die Butter würde ihre Wut in sich tragen, fette Butter würde es sein.
    »Was ist in dich gefahren?«
    Adeline hatte nicht gehört, wie die Köchin hinter sie getreten war. Sie ließ den Stößel los. Er sank langsam im Faß nach unten.
     »Ich mache Butter, wie du mir aufgetragen hast«, sagte sie.
    »Ich habe nicht gesagt, daß du dabei das Faß zu Kleinholz machen sollst.«
    »Tut mir leid.«
    »Nicht dein Tag, was? Aber ich bin nicht hier, um dich zu tadeln. Gräfin Giselberga schickt nach dir. Geh, ich lasse jemand
     anderen weitermachen.«
    Die Gräfin wollte sie sehen? Adeline löste die Schleife an ihrem Rücken und zog sich die Schürze über den Kopf. Sie legte
     sie auf den Tisch. Was wollte Giselberga? Adeline ging hinaus. Draußen stand Prinz Wilhelm auf dem Fundament des alten Bergfrieds
     und reckte ein Holzschwert in die Höhe. »Verbeugt euch, Pack!« brüllte er. Vor seinem Mund wölkte die kalte Luft.
    Die Kinder warfen sich zu Boden und huldigten ihm.
    »Fremde, auch du bist gemeint.« Er zeigte mit der Schwertspitze auf Adeline.
    Sie ging wortlos an ihm vorüber.
    »Auf die Knie!«
    Sie trat durch die Tür im Nordflügel, klopfte sich den Schnee von den Schuhen und stieg die Treppe hinauf. Aus dem Rittersaal
     drang Gelächter. Also war das Frühmahl noch nicht aufgehoben. Giselberga würde an ihrem gewohnten Platz an der Tafel sitzen
     und die Scherze der Damen und Edelleute mit strengem Stirnrunzeln beantworten.
    |283| Adeline schlüpfte in den Saal. Sie blieb neben der großen Flügeltür stehen. Im Kamin brannte Feuer und wärmte den Saal. Die
     Schüsseln waren schon abgeräumt, die Hofbeamten und Gäste des Kaisers saßen nur noch zum Wein zusammen. Diener schenkten aus
     großen Krügen nach. Besser, sie blieb hier und wartete auf ein Zeichen von Giselberga.
    Was war mit der Gräfin los? Sie plauderte fröhlich mit der Dame neben ihr, lachte, stieß die andere mit der Hand an beim Reden,
     um ihre Aufmerksamkeit zu gewinnen. Als ein Diener ihr nachschenken wollte, nickte sie zerstreut, nahm den Becher auf und
     trank in großen Schlucken. Da bemerkte sie, den Becher noch am Mund, Adeline bei der Tür. Sie winkte sie heran.
    Adeline trat näher und verneigte sich. »Herrin, Ihr habt nach mir geschickt.«
    »Das ist sie«, sagte Giselberga zur Hofdame. »William Ockham hat recht, nicht wahr? Sie ist hübsch und bescheiden. Und fleißig
     zudem. Ich sage Euch, aus ihr wird einmal etwas. Dann werden sie sagen: Giselberga hat ihr die beste Erziehung angedeihen
     lassen.«
    »Wann werdet Ihr den Spaziergang mit dem Engländer machen?« Die Hofdame hatte ihr Gesicht mit Salbe geweißt. Die Lippen waren
     rot bemalt und bewegten sich so flink wie Schlangen. »Ich beneide Euch, wirklich! Wüßte nicht, daß er schon einmal mit einer
     Dame spazierengegangen ist. Ist Euch bewußt, daß Ihr mit einem der größten Männer unserer Zeit reden werdet?«
    »Ja, das weiß ich. Und ich lasse ihn mit seinem Versprechen nicht wegkommen, da könnt Ihr sicher sein. Ich werde ihn gleich
     nachher aufsuchen. In ein paar Tagen hat er sonst vergessen, was er versprochen hat.«
    »Ihr müßt mir unbedingt berichten, gleich, wenn Ihr wiedergekehrt seid, Giselberga. Worüber werdet Ihr reden? Welche Weisheiten
     wird er verkünden? Man muß jedes Wort niederschreiben lassen, das dieser Mann sagt.«
    William Ockham wollte mit der Gräfin spazierengehen? Es |284| erschien Adeline unglaubwürdig, es paßte nicht zu ihm. Was wollte er mit der Frau? Jeder am Hof wußte, daß er allein für seine
     Schriften lebte.
    Die Gräfin faßte Adelines Arm. »Mädchen«, raunte sie, »William Ockham hat darum gebeten, daß ich dich wieder begünstige. Der
     Gelehrte macht sich Gedanken über dich, ein Kammermädchen, kannst du das begreifen? Lauf rasch hinüber und bedanke dich bei
     ihm.«
    »Ja, Herrin.«
    »Vorher gehst du an meine Truhe und nimmst das gute Handtuch, das bestickte. Du bringst es ihm als Geschenk. Falte es so,
     daß die kleinen Vögel oben liegen.«
    »Wie Ihr wünscht.«
    »Er ist in der Kanzlei, hat er gesagt. Wenn du wiederkommst, setzen wir uns ein wenig auf die Fensterbank und reden. Diese
     Marie, die mir in den letzten Wochen beim Ankleiden helfen sollte, ist ungeschickt und störrisch. Ich werde sie entlassen.
     Ich möchte, daß du wieder den Morgendienst übernimmst. Jetzt geh.«
    Benommen verließ Adeline den Saal. Ihre

Weitere Kostenlose Bücher