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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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die durch den gesamten Raum verliefen, ebenso eine Reihe von Schwämmen.
    »Ja, die Krämpfe sind schwächer geworden. Könnt Ihr mir außerdem einen dieser Schwämme mitgeben?«
    Der Apothekarius zeigte auf die Schwämme, die an der Schnur hingen: »Diese meint Ihr?«
    »Ja.«
    »Verzeiht. Ihr täuscht Euch, was die Schwämme angeht.«
    »Wieso?«
    »Es sind Betäubungsmittel. Einige sind mit Alraun getränkt, andere mit Bilsenkraut oder Wasserschierling.«
    »Was geschieht damit?«
    »Sie betäuben den Schmerz, wenn jemand aufgeschnitten werden muß oder ein Glied vom Körper abgetrennt wird. Mancher muß eingeschläfert
     werden, bevor man ihn behandeln kann. Das ist gefährlich! Viele wachen nicht wieder auf, oder sie verlieren den Verstand.
     Ich kann Euch keinen der Schwämme verkaufen. Sie dienen den Ärzten als Werkzeug.«
    »Natürlich, ich verstehe.« Die Frau legte einige Münzen auf den Tisch. »Habt Dank!«
    Der Apothekarius strich das Geld ein. Er sah Adeline an, lächelte. »Was wünscht die Gräfin?«
    »Wacholderöl.«
    »Als Diuretikum, nehme ich an.« Er griff hinter sich und stellte ein Bronzefläschchen auf den Tisch.
    »Und sie hat Fieber. Ich soll Blauen Eisenhut kaufen.« Ihre Hände zitterten. Sie nahm sie rasch hinter den Rücken.
    Der Apothekarius kratzte sich den Nacken. »Das ist ein |290| sehr gefährliches Mittel. Ich gebe es nur an Heilkundige heraus.«
    Sie biß sich auf die Zunge. Was sollte sie sagen? Wie konnte sie ihn überzeugen?
    »Ihr müßt verstehen. Blauer Eisenhut ist tödlich, wenn man ihn falsch einsetzt.«
    Wenn sie die Salbe verlangte, vielleicht klang das weniger gefährlich für ihn? »Die Salbe soll das Fieber senken, hat Marsiglio
     Raimondini gesagt.«
    »Der berühmte Arzt von Padua hat Euch hergeschickt? Behandelt er die Gräfin?«
    »Sie steht in der Gunst des Kaisers. Deshalb tut er ihr den Gefallen und hat ihr seinen Leibarzt zugewiesen.«
    Er nahm eine Dose aus dem Regal. »Versprecht, diese Dose allein Marsiglio Raimondini zu geben, niemandem sonst. Und überbringt
     ihm meine ehrerbietigsten Grüße.«

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    Der Himmel, den Nemo durch die Fensterluke sehen konnte, war wolkenverhangen, die Sonne nicht zu sehen. Seinem Gefühl nach
     ging es auf Mittag zu. Kalte Luft zog herein. Er legte sich wieder auf das Bärenfell vor der Ofenöffnung. Sie war ganze zwei
     Ellen breit und eine Elle hoch, übergroß wie der silbergrau gekachelte Ofen in der Halle nebenan, zu dem sie führte. Nemo
     hatte den Ofen Stunde um Stunde mit Holz gefüttert, er war heiß, die Wärme spannte die Haut im Gesicht, die Wangen fühlten
     sich an, als glühten sie. Es zischte im Ofen. Von einem schwarzen, niedergebrannten Holz sprang wieder eine Flamme auf. Dann
     ein Krachen, ein Aufstieben von Feuerfunken. Das Holz rutschte zusammen, das Scheit brach. Der dunkle Ofenleib saugte die
     Funken in die Höhe und wirbelte sie durcheinander.
    Nemo roch an seinen Händen. Die Haut klebte von Harz, und sie roch auch so. Das paßte nicht zu einem hohen Herrn. Er zog die
     weißen Handschuhe über. Es ging schwer, sie blieben an der Haut hängen.
    Er sehnte sich plötzlich nach dem Hausrat, den er über der Goldschmiedewerkstatt zurückgelassen hatte: dem Krug, den Schüsseln,
     dem Holzlöffel, dem Bettlaken, dem Kissenbezug, den Wolldecken. Diese Dinge waren auf gewisse Weise ein Teil von ihm geworden.
     War das sein Schicksal, nie anzukommen, nie eine Heimat zu finden?
    Wieso kam Amiel nicht? Hatte er ihn so sehr verunsichert? Sicher dachte er darüber nach, ob man diesem Judas trauen konnte.
     Sie taten so, als hätten sie ihn als Gast einquartiert im Nebenraum des Saals. Tatsächlich aber war er eingesperrt, die Nacht
     über und noch den ganzen Vormittag. Er hatte Amiel nicht überzeugt. Der Perfectus war mißtrauisch. Er, Nemo, |292| mußte noch wagemutiger sein, er mußte Amiel vollends verblüffen.
    Er holte den Gros Tournois hervor. Die Münze fühlte sich glatt und warm an, seine Brust hatte sie gewärmt. Die Burg, die zwölf
     Lilien. Als die Münze sein Spielzeug gewesen war, hatte er noch eine Familie gehabt. Wieso zählte sein Vater Geld? War er
     Kaufmann? Oder arbeitete er für ein italienisches Bankhaus? Das
Depositum
hatte von einer
Compagnia
aus Florenz gesprochen, irgendeinem Tommaso … Tommaso di Arnolfo. Wenn er das Pergamentstück gestohlen hatte, sollte er dann
     nicht am besten nach Florenz reisen anstatt nach Paris? Welche Spur war sicherer, die des

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