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Das Mysterium: Roman

Das Mysterium: Roman

Titel: Das Mysterium: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Müller
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Lehnshuldigung für den Kaiser.« Ja, nun wußte er es, er hatte sich mit Venk von Pienzenau darüber
     unterhalten, damals. »Tatsache ist, daß der König von Frankreich ihm viel schwerer im Genick sitzt. Nur ein paar Meilen flußaufwärts
     von Avignon liegt auf dem rechten Ufer der Rhône Beaucaire, der Sitz des französischen Seneschalls. Man muß sehr gutgläubig
     sein, um nicht zu durchschauen, wie das französische Königshaus Einfluß ausübt auf den Papst in Avignon. Schaut Euch an, was
     sie mit dem Orden der Templer getan haben!«
    »Viele Gründe für die Deutschen, die Franzosen zu hassen. Warum sprecht Ihr dann von Bewunderung?«
    »Es ist Haß, und es ist Liebe. Wir verabscheuen die Franzosen. Zugleich bewundern wir ihre Eleganz. Sie sind anmaßend und
     eitel, und sie werden eines Tages vom Thron gestürzt werden, soviel steht fest.«
    »Ihr profitiert auch von ihnen.«
    |52| »Wie das?«
    »Nun, niemand möchte, daß Ludwig den Kaisertitel verliert. Wenn das Heilige Römische Reich der Deutschen untergeht, wird der
     König von Frankreich nach dem Kaisertitel greifen, und er hat wirklich die Macht, alle anderen Königreiche zu unterjochen.«
    William verlor sein Mißtrauen, das spürte Nemo deutlich. Schaffte er es? Täuschte er den klügsten Mann des Kaiserreichs? Es
     fehlte noch ein letzter Beweis, eine Kenntnis, die der Gelehrte ihm nicht zugetraut hätte. Was hatte er durch die Tür gehört?
     Venk und William Ockham hatten über kaiserliche Unterhändler gesprochen, die zum Papst ausgesandt wurden. Daraus mußte er
     etwas machen. »Genauso aber weiß es der König von Frankreich zu verhindern«, sagte er, »daß sich Ludwig mit dem Papst versöhnt
     und der Kirchenbann aufgehoben wird, so heißt es in Bologna. Jedesmal, wenn die Verhandlungen kurz vor einem Durchbruch stehen,
     kommt eine Delegation Philipps nach Avignon zum Papst, trifft heimliche Abreden mit ihm, und der Papst verschließt sich in
     der Folge jeder Annäherung an den Kaiser.«
    William runzelte die Stirn. »Was redet Ihr da für einen Unsinn?«
    Alles war verdorben. Er vergaß zu atmen, spürte, wie ihm erneut der Schweiß ausbrach, obwohl er zugleich fror. »Ich meinte
     nur –«
    »Die Delegationen mag es geben, aber sie sind doch nichts als ein Vorwand. Der Papst will Ludwig nicht akzeptieren. Und man
     sollte nicht mit diesem Ketzerpapst verhandeln, andernfalls sagt man damit, daß man ihn als Papst akzeptiert, und das sollte
     ein ernsthafter Christenmensch nicht tun.« Er lächelte. »Ihr gefallt mir, Heinrich Pfanzelter. Warum seid Ihr hier?«
    Nemo atmete aus. Atmete wieder ein. Er war am Ziel. Wie lautete seine Tarnfrage, die er zuerst stellen wollte, um dann anschließend
     beiläufig, wie aus dem Augenblick heraus, das eigentliche Thema anzusprechen? »Ich möchte Euch in einer |53| Studienfrage um Rat bitten. Es geht um die Verbindung von zwei Prämissen, Obersatz und Untersatz, wenn ihnen ein Mittelbegriff
     gemeinsam ist. Ist das immer möglich?«
    »Eine gute Frage.« William Ockham trat an das Schreibpult heran. »Schaut her.« Er nahm einen frischen Bogen Pergament, tunkte
     die Feder ins Tintenfaß und schrieb. Nemo sah ihm über die Schulter. William schrieb schnell, man merkte ihm die Übung an.
     Es war Latein. Glücklicherweise einfache Begriffe.
… igitur omnis asinus est homo.
Also ist jeder Esel ein Mensch. Nein, das konnte nicht sein. Übersetzte er falsch? William hatte in Latein die Gleichung aufgestellt:
    Jeder Mensch ist ein Lebewesen.
    Jeder Esel ist ein Lebewesen.
     
    Also ist jeder Esel ein Mensch.
    »Erkennt Ihr, was an diesem Beispiel falsch ist?« fragte William.
    »Daß ein Esel kein Mensch ist.«
    »Das ist offensichtlich. Ich meine, warum es nicht funktioniert? Wartet, ich schreibe ein weiteres auf, vielleicht seht Ihr
     es dort.« Er schrieb:
    Dieser Hund ist deiner.
    Dieser Hund ist Vater.
     
    Also ist dieser Hund dein Vater.
    Nemo nickte anerkennend. Das mußte er sich merken. Es würde ihm nützlich sein, wenn er einmal einen Gelehrten beeindrucken
     mußte. Wie der Engländer auf solche Rätsel kam! Was mußte in einem Menschen vorgehen, daß er sich so etwas ausdenken konnte?
    »Die Lage wird klar, wenn wir einen leichteren Fall zum Vergleich heranziehen. Alle Menschen sind sterblich. Sokrates ist
     ein Mensch. Also ist Sokrates – was?«
    »Sterblich.«
    |54| »Richtig. Und warum kann ich dieselbe Argumentation nicht bei den Beispielen von Hund und Esel anwenden?«
    Er

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