Das Nazaret-Projekt
Schlitzäuglein?«
Wieder starrten alle Anwesenden unangenehm überrascht auf den vorlauten Prediger. Eine lange Minute eisigen Schweigens kehrte ein und Telly fühlte sich gemüßigt, seiner provokanten Frage nachträglich etwas die Schärfe zu nehmen.
»Verzeihen Sie mir bitte, wie konnte ich nur so etwas Dummes fragen! Das sollte selbstverständlich nur ein kleiner Scherz sein, verehrte Brüder. Aber nun einmal ganz im Ernst; wenn ich bisher alles richtig verstanden habe, so ist dieses ganze Projekt letztlich nur auf die Annahme gegründet, dass besagtes Leichentuch historisch echt ist und dass es deshalb möglich sein wird, Jesus Christus zu klonen! Finden Sie nicht, dass Sie da in blindem Eifer ein wenig zu weit gehen? Das ist doch, mit Verlaub gesagt, ein mehr als absurdes Unterfangen und in meinen Augen reine Blasphemie! Zumindest ist es nicht mehr als ein höchst zweifelhaftes und naives Experiment, ihre löbliche Absicht in allen Ehren!
Vor allem bin ich sehr überrascht, dass Sie ernsthaft zu glauben scheinen, ich würde mich in meiner Funktion als Geistlicher und Prediger in den Dienst einer so abstrusen Sache stellen und den Propheten spielen? Selbst in Amerika würde ich mich damit ziemlich unmöglich und lächerlich machen, und das will wirklich etwas heißen! Haben Sie eigentlich daran schon einmal gedacht? Was wird sein, wenn dieses Experiment sich als grandioser Fehlschlag herausstellt?«
Für einen kurzen Moment kreuzten sich die Blicke der beiden Logenmeister von eigenen Gnaden wie zwei blitzende Duellklingen im Lichte des Kaminfeuers.
»Immer langsam, mein lieber Bruder Suntide. So weit sind wir ja noch lange nicht. Ich kann Ihre Zweifel sehr gut verstehen, waren sie lange Zeit ja auch meine eigenen. In einer Hinsicht haben Sie durchaus Recht, die Echtheit des Turiner Tuches ist nach wie vor nicht beweisbar. Diese Frage ist mittlerweile aber auch gar nicht mehr so wichtig – was allerdings echt ist und absolut einzigartig, das ist die DNS, die Professor Pinzgauer in den Gewebespuren des Tuches gefunden hat. Von wem auch immer diese Spuren stammen mögen – es war mit Sicherheit kein normaler Mensch! Im Vergleich zu einer normalen menschlichen Gensequenz besitzt die gefundene DNS etwa zehn Prozent mehr Erbinformationen. Da so eine Optimierung und Steigerung selbst heutzutage weit außerhalb jeder Norm liegt, besteht also ein schwerwiegender Grund zu der Annahme, dass es sich tatsächlich um die Gene unseres Herrn Jesus handelt!«
Telly Suntide schüttelte seinen Kopf und runzelte missbilligend die Stirn. »Oder gar um einen außerirdischen Ufonauten, einen Alien. Vielleicht auch nur um einen genetischen Ausreißer, einen Mutanten! Wie wär’s denn damit?«
Nathans und Tellys Blicke trafen sich erneut. Diesmal wurden keine Degenklingen gekreuzt, diesmal verschränkten und verhakten sich unlösbar die Geweihe zweier Platzhirsche ineinander.
»Zugegeben«, sagte Brock plötzlich zu des Reverends Überraschung, »ein Alien könnte das durchaus gewesen sein. Aber was heißt das schon? War Jesus Christus in letzter Konsequenz nicht auch ein Außerirdischer? Vielleicht auch nur ein Mutant, sagten Sie. Nun, Bruder Rademacher könnte Ihnen mit dem größten Vergnügen ausführlichst erklären, dass ein Mutationssprung dieser Größenordnung in der Natur mehr als unwahrscheinlich ist! Wie Sie sehen, kommen wir hier mit Argumenten keinen Schritt weiter und im Grunde will ich Sie ja auch gar nicht mit Worten überzeugen, sondern Sie auf die persönliche Begegnung mit dem Herrn vorbereitet wissen, die ich Ihnen in Aussicht gestellt hatte. Ich lade Sie also ein, sich selbst zu überzeugen! Legen Sie wie einst der Heilige Thomas Ihre Hand auf die Wunde Jesu.«
Telly hob erstaunt den Kopf. »Wie soll das denn aussehen? Hübsch unscharfe und interpretationsbedürftige Ultraschallbilder von einem Fötus im Uterus oder dergleichen etwa?«
»Nein, nichts in dieser Richtung. Sie können jetzt sofort mit dem Heiland in Kontakt treten, sofern er an einer Kommunikation mit Ihnen überhaupt Interesse zeigt. Erfahren werden Sie seine Gegenwart aber in jedem Falle.«
Telly war verblüfft und fast ein wenig beleidigt ob dieser möglichen Einschränkung. »Was denn, wie soll das denn funktionieren? Doch nicht etwa auf telepathischem Wege?«
»Ganz richtig, durch Telepathie. Noch heute Abend, wenn Sie wollen!«
»Ach was! Im Ernst?«
»Das ist mein voller Ernst!«
»O.K. … ich bin bereit«, sagte Telly und
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