Das Nest des Teufels (German Edition)
mich nicht zwingen, meinen Vater zu besuchen – oder doch? Dann würden sie mich vorher in Handschellen legen müssen.
Ich hielt an einer Tankstelle, die rund um die Uhr in Betrieb war, kaufte mir in der Cafeteria ein Roggenbrötchen und Orangensaft und lenkte den Jaguar in die Waschanlage. Beim Essen achtete ich penibel darauf, in Trankows teurem Wagen keine Krümel zu hinterlassen. Gegen elf Uhr war ich am Ziel. In der Stadt war es noch hell. Ich fuhr den Wagen in die Garage, begab mich in die nächstbeste Kneipe und bestellte ein großes Bier und einen Jägermeister wie ein Profisäufer. Nach einer Minute hatte ich beide Gläser geleert. Dann ging ich schlafen.
Die Helsinkier Polizei setzte sich erst gut eine Woche vor der Hochzeit von Julia Gerbolt und Usko Syrjänen mit mir in Verbindung. Vanamo war befragt worden, hatte über die Waffe aber nur sagen können, dass sie echt ausgesehen habe. Keijo war noch nicht vernommen worden. Da wohl niemand mehr im Moos in Hevonpersii nach einer Kugel suchen würde, wollte ich behaupten, ich hätte die funktionsunfähige Waffe bei mir gehabt, die schon in meiner Kindheit in der Hütte gelegen hatte, und nicht die Glock, für die ich einen Waffenschein besaß. Matti Hakkarainen hatte die Waffe der Polizei gegenüber nicht erwähnt, aus dem einfachen Grund, dass er sie nicht gesehen hatte. Am nächsten Morgen um acht Uhr ging ich zur Vernehmung in das Polizeigebäude in der Innenstadt. Die Polizei von Nord-Savo, die die Helsinkier Kollegen um Amtshilfe gebeten hatte, war sehr daran interessiert, den Zwischenfall zu den Akten legen zu können, und die Helsinkier hatten nichts dagegen. Ich trank den zweitschlechtesten Kaffee meines Lebens, während ich auf das Vernehmungsprotokoll wartete. Dann war ich wieder frei.
Allerdings beschäftigte mich das Getue um die Hochzeit fast rund um die Uhr. Die Braut war nervös, obwohl sie nicht zum ersten Mal vor den Traualtar trat, der Bräutigam regte sich auf, weil es mit der Regierungsbildung immer noch nicht voranging und seine Geschäftsprojekte deshalb ruhten. Julias Polterabend fand eine Woche vor dem großen Tag im zum Hotel umgebauten Gutshof Haikko statt. In ihrer Begleitung waren hauptsächlich ihre russischen Freundinnen sowie einige Bekannte von Syrjänen, darunter die Geschäftsführerin Ulla Beck. Trankow war völlig verzweifelt, denn Frau Beck rief ihn wöchentlich mehrmals an und bat ihn um ein Treffen.
«Du hast sie beeindruckt, Juri. Es ist doch gut, nicht alle Eier in einen Korb zu legen. Wenn Syrjänens Kopparnäs-Projekt scheitert, hast du gleich eine neue Arbeitgeberin.»
«Hör auf, Hilja! Weißt du, welche Art von Sex die Frau will? Jede Art, die dem Partner Schmerzen zufügt, und das macht mich überhaupt nicht an. Ich habe oft genug Prügel bezogen. Und warum zum Teufel will Gezolian, dass Paskewitsch zur Hochzeit kommt? Manchmal hätte ich Lust, einfach zu verschwinden. Wenn ich den Jaguar verkaufen würde, könnte ich vom Erlös jahrelang auf irgendeiner kleinen Insel in Griechenland leben und malen. Du würdest nicht mitkommen, nehme ich an.»
Damit hatte Juri recht. Allerdings wäre es wohl auch für mich das Klügste gewesen, mich aus dem Staub zu machen. Davids Pläne waren immer noch vage, über Jaan Rand erhielt ich verworrene Informationen. David bat mich, in Kopparnäs nachzusehen, ob der Steinturm unverändert aussah. Doch es war unmöglich, mir auch nur ein paar Stunden freizunehmen.
Gezolian wiederum erkundigte sich, ob es schon feststehe, dass David um die Zeit der Hochzeit nach Finnland kam, und erinnerte mich an die halbe Million, die er an eine Bank in Genf überweisen wollte, sobald David in seinen Händen war. Gezolian würde am Tag vor der Hochzeit eintreffen, den Rückflug hatte er noch nicht gebucht. Julia wunderte sich darüber, denn normalerweise war ihr Vater immer in Eile.
Als David am Dienstag vor der Hochzeit per SMS erneut nach dem Steinturm fragte, beschloss ich, seine Bitte zu erfüllen. Nachts schlief Julia immerhin. Die Schlüssel des Protzjeeps steckten noch in meiner Tasche, ich hoffte, Syrjänen würde nicht merken, dass der Kilometerstand über Nacht um gut hundert Kilometer gestiegen war. Es war Viertel nach eins, als ich losfuhr, die kurze dunkle Zeit der hellen Sommernacht. Die Fahrt nach Kopparnäs dauerte nur vierzig Minuten. Ich ließ den Wagen in derselben Parkbucht stehen wie beim letzten Mal, band mir die Stirnlampe um und stapfte den schmalen Felsweg
Weitere Kostenlose Bücher