Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
schien er zu zaudern. «Na, im Meer ist genug Platz für Tote. Zum Glück haben wir schon ein Eisloch.» Er drehte die Trommel des Revolvers erneut und legte eine zweite Patrone ein.
    Juri sagte keinen Ton, er starrte nur die Waffe an und ging zum Tisch. Bei drohender Gefahr verengt sich das Blickfeld des Menschen, er konzentriert sich ausschließlich auf das Notwendigste. Womöglich hatte Juri meine Anwesenheit vergessen. Makkonen reichte ihm den Revolver, mit dem Griff voran. Juri nahm ihn. Ich biss mir auf die Lippen, um nicht lauthals «Nein!» zu rufen, und faltete die Hände im Schoß.
    Lass Juri nichts geschehen. Lass Juri nichts geschehen.
    Ich presste die Finger so fest zusammen, dass die Gelenke knackten. Paskewitsch lehnte sich an den Billardtisch. Er hielt das Queue mit beiden Händen und blähte die Nüstern wie ein Jagdhund, der Blut riecht. Makkonen wischte sich den Schweiß von der Stirn, obwohl das Laden des Revolvers keine schwere körperliche Anstrengung erfordert hatte.
    Als sich Juri setzte, sah ich ihn im Profil. Diese Ausdruckslosigkeit hatte schon einmal auf seinem Gesicht gelegen, unmittelbar bevor er Martti Rytkönen erschossen hatte. Jetzt hielt er den Lauf des Revolvers an seine eigene Schläfe.
    Sei nicht verrückt, Juri. Lieber das Gesicht verlieren als das Leben.
    Die Uhr an der Wand des Spielsalons tickte.
    Ein Knacken war zu hören, doch es löste sich kein Schuss. Juri sah den Lauf des Revolvers an, als wisse er nicht, was er da in der Hand hielt, dann richtete er die Waffe auf Paskewitsch.
    «Es sind noch zwei Kugeln drin. Zwei von fünf. Das ist erst recht was für harte Männer, stimmt’s, Valja?»
    Makkonen wollte aufstehen, aber er war zu langsam. Ich warf ihm den Aschenbecher an die Schläfe, und er sackte auf den Stuhl zurück. Er blutete am Augenwinkel und wagte aus Angst vor Glassplittern nicht die Augen zu öffnen.
    «Gehen wir», sagte ich zu Juri. Er starrte Paskewitsch an, dem der Billardstock aus den Händen geglitten war. Wie gern hätte ich ihn damit geschlagen, doch ich versagte es mir.
    «Ich will dich nie mehr sehen», sagte Juri zu Paskewitsch. «Von jetzt an lässt du mich in Ruhe!»
    «Darüber hast du nicht zu bestimmen, du Rotzbengel», fauchte Paskewitsch, aber ich sah ihm an den Augen an, dass er bald im Staub kriechen würde, wenn Juri ihn weiter bedrohte.
    «Juri, komm!» Ich ging rückwärts auf die Tür zu, und glücklicherweise folgte Juri mir, den Revolver immer noch auf Paskewitsch gerichtet. Makkonen wischte sich mit einem Taschentuch das Blut ab. Sobald wir im Waffenraum waren, schlug ich die Tür zum Spielsalon zu und verriegelte sie. Da von dort eine zweite Tür in den zum Meer gelegenen Garten führte, würde dieses Manöver die beiden Männer nicht lange aufhalten, doch es verschaffte uns immerhin einen kleinen Vorsprung.
    Niemand begegnete uns, als wir zum Jaguar zurückliefen. Das stahlglänzende Tier am Bug grinste uns boshaft an.
    «Fahr du», sagte Juri und gab mir den Schlüssel. Ich schloss zuerst die Beifahrertür auf, dann die Fahrertür. Juri stieg ein, ohne sich die Schuhe abzuklopfen, betrachtete den Revolver eine Weile und nahm dann die Patronen heraus. Danach warf er die Waffe und die Munition auf die Rückbank, als sei es Abfall. Ich nahm die Brille ab, zog die Perücke vom Kopf und fuhr mir mit den Fingern durch die Haare. Meine Kopfhaut war schweißnass, und im Rückspiegel sah ich, dass ich rote Flecken auf den Zähnen hatte, ich hatte mir also auf die Lippen gebissen, ohne es zu merken.
    «Sicherheitsgurt», sagte ich, als ich anfuhr. Juri blickte mich an, als traue er seinen Ohren nicht, schnallte sich dann aber fügsam an.
    Ich schwieg, weil ich nichts zu sagen wusste, und Juri schien es ebenso zu gehen. Er legte den Kopf an die Nackenstütze und schloss die Augen. Es hatte zu schneien begonnen, nasser, mit Regen durchsetzter Schnee, die Straße wirkte glatt. An der Hangontie wählte ich die Auffahrt Richtung Westen. Ich wusste, was ich zu tun hatte.
    Erst an der Kreuzung in Masala öffnete Juri die Augen und merkte, dass wir nicht auf dem Weg zum Bulevardi waren.
    «Was jetzt?»
    «Wir fahren kurz nach Långvik, ich muss dort was erledigen. Wir haben Zeit, der Film hätte ja auch ein paar Stunden gedauert.»
    Ich bemühte mich, das Tempolimit einzuhalten, das wegen der Baustellen niedriger war als sonst, obwohl es mir lächerlich vorkam, auf der leeren Straße sechzig fahren zu müssen. Als wir auf die Nebenstraße

Weitere Kostenlose Bücher