Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Nest des Teufels (German Edition)

Das Nest des Teufels (German Edition)

Titel: Das Nest des Teufels (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leena Lehtolainen
Vom Netzwerk:
Apostel der Pressefreiheit auf den Plan rufen, doch das war mir egal, solange die Polizei nicht ins Spiel kam. An öffentlichen Orten, zum Beispiel auf der Straße, durfte man zwar fotografieren, aber wenige Pressefotografen waren so unverschämt wie diese Frau.
    «Wenigstens ein kleines Lächeln, Julia!», rief sie auf Finnisch und wäre beinahe unter die Straßenbahn gekommen, als sie rückwärts vor uns herlief. Dann verschwand sie im Café Ekberg. Vielleicht hatte der kalte Frühlingswind sie ausgekühlt.
    Julia wollte sich im Louis-Vuitton-Geschäft an der Esplanade die neue Handtaschenkollektion ansehen. Offenbar hatte die Tasche aus Genf bereits ausgedient. An der Tür des Geschäfts stand ein Wärter, der einen Blick für Geld hatte. Wie lauteten seine Anweisungen, wem sollte er den Zutritt verwehren? Die Frau mit der Kamera wurde jedenfalls nicht eingelassen, obwohl sie behauptete, das Geschäft sei ein öffentlicher Raum, in dem man ungehindert fotografieren dürfe.
    «Das Geschäft hat das Recht, seine Kunden auszuwählen», erklärte der Wärter. Julia fragte mich, was er gesagt habe, und als ich den Satz ins Englische übersetzte, schenkte sie dem Mann ein echtes Lächeln, das man selten bei ihr sah. Die Fotografin blieb vor dem Geschäft stehen und sprach in ihr Handy. Julia nahm eine Tasche nach der anderen in die Hand, betrachtete die Steppnähte und Warenzeichen. Das Geschäft für Designerhandtaschen war eine Art Frauenclub, zu dem nur Wohlhabende und Modebewusste Zutritt hatten. Seit jeher hatten viele Menschen den Wunsch, geschlossene Kreise zu bilden, in denen sie sich ungestört mit Gleichgesinnten treffen konnten. Die Männer hatten ihre Zigarrenclubs und Motorradvereine, die Frauen ihre Nähkränzchen und Tupperware-Partys. Der finnische Hausfrauenverband ließ inzwischen sogar Männer zu, doch die meisten wollten die alte Geschlechtertrennung aufrechterhalten. Ein Mann taugte zum Handtaschendesigner und zum Wärter eines Handtaschengeschäfts, doch die Kundschaft bestand fast nur aus Frauen – Frauen mit Geld. Allerdings musste eine Frau schon eine ganze Menge Vuitton-Handtaschen kaufen, um dieselbe Summe zu verprassen wie Makkonen für seinen Jaguar, den Trankow jetzt hoffentlich endgültig für sich gewonnen hatte.
    Natürlich hätten wir die Polizei auf Makkonens dunkle Geschäfte hinweisen können, doch das war nicht meine Art, zu handeln. Jeder sollte sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern. Je weniger ich mit der Polizei zu tun hatte, desto besser.
    Julia kaufte keine Tasche, erstand aber Handschuhe aus frühlingshaft hellem Leder. Für den Gegenwert hätte sich eine vierköpfige Familie zehn Tage lang satt essen können. Als Julia zahlte, sah ich, dass die Fotografin wegging. Vielleicht hatte der Redaktionschef ihr gesagt, es seien genug Aufnahmen. Dennoch blieb ich wachsam, als wir das Geschäft verließen.
    Wir gingen in die Kämp-Galleria, um Schuhe anzusehen. Julia probierte Stiefel an, kaufte sie aber nicht.
    «Wir fliegen ja nächsten Monat nach New York. Da gibt es eine viel bessere Auswahl als hier.»
    «Wir fliegen nach New York?»
    «An meinem finnischen Namenstag. Usko schenkt mir die Reise. Ich probiere dort mein Brautkleid an, dann ist noch Zeit für Umarbeitungen. Für dich habe ich auch ein Ticket in der Business-Class gebucht, damit du dich ausruhen kannst.»
    «Wie lange bleiben wir?», fragte ich. In dem Moment griff Satu Syrjänen an.
    Sie schoss um die Ecke, baute sich vor Julia auf und beschimpfte sie lauthals.
    «Verdammtes Luder, auf wessen Kosten gehst du hier shoppen? Was hast du gekauft? Zeig mal her!» Satu versuchte, Julia die Tüte aus der Hand zu reißen, doch ich ging dazwischen. Ich brauchte sie nicht einmal zu berühren, ich hob nur abwehrend die Hände und stellte mich schützend vor Julia.
    Hinter mir klickte eine Kamera. Die Paparazza war wieder da. Wie viel hatte die Zeitung Satu dafür bezahlt, dass sie diese Szene hinlegte? Ein Kampf zwischen Frauen war immer interessant, vor allem, wenn die Beteiligten nicht wie Obdachlose aussahen. Satu Syrjänen war einmal schön gewesen. Jetzt wirkte sie verbittert und verhärmt; in ihren Augen glühte Hass. Ihre dunkel gefärbten Haare waren etwa fünf Zentimeter grau nachgewachsen.
    Satu ging bei der Scheidung keineswegs leer aus. Syrjänen hatte ihr das Haus in Westend überlassen, als Entschädigung dafür, dass sie keine Aktien seines Unternehmens bekam. Zudem war sie beruflich erfolgreich, sie

Weitere Kostenlose Bücher