Das Nest
sie sich zum Bleiben entschlossen hatte. In stillem Einverständnis nahm Deborah Cara und brachte sie zum Zelt ihrer besten Freundin Christy und deren Mutter Josy. Als sie zurückkam, hatte Lindsay sich mit einer Flasche Whisky in eine Ecke gerollt.
»Nimm dir auch was«, forderte sie Deborah auf.
Deborah spürte die Spannung in Lindsay. Sie schenkte sich vorsichtig ein Glas ein und setzte sich neben sie. Behutsam legte sie ihre Hand auf Lindsays Oberschenkel. »Ich bin wirklich froh, daß wir hier wieder zusammen sind«, sagte sie leise. »Es ist lange her, seit wir das letzte Mal miteinander geredet haben.«
Lindsay nahm einen großen Schluck Whisky und zündete sich eine Zigarette an. »Ich kann nicht mit dir schlafen«, platzte sie heraus. »Ich hab’ geglaubt, ich kann’s, aber es geht nicht. Tut mir leid.«
Deborah war Lindsays Art nicht neu: Immerhin hatten sie sechs hektische Monate miteinander verbracht. Sie lächelte. »Du hast dich aber auch gar nicht geändert. Wie kommst du auf die Idee, daß ich unbedingt wieder mit dir ins Bett will?« Ihre Stimme klang spöttisch. »Immer noch so arrogant wie früher.«
Nacheinander kamen Skepsis und Verletztheit in Lindsays Mienenspiel zum Vorschein. Dann siegte ihr Sinn für Humor und ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. »Eins zu null. Du hast mir nie etwas durchgehen lassen, oder?«
»Stimmt. Immer, wenn ich dich fünf Zentimeter an mich herangelassen hab’, warst du schon wieder auf dem Weg in die nächste Stadt. Hör zu, ich habe keine wilde Liebesnacht erwartet. Die Beziehung zu Cordelia ist das Wichtigste in deinem Leben. So wie Cara im Augenblick das Wichtigste in meinem Leben ist. Ich habe nicht vor, diesbezüglich irgendwelche Abenteuer einzugehen, und ich erwarte es auch nicht von dir.«
Lindsay machte ein Gesicht wie ein Schaf. »Ich wollte wirklich mit dir schlafen. Ich dachte, es würde mir helfen, meine Gefühle zu klären. Aber als du Cara wegbrachtest, spürte ich plötzlich, daß es nicht richtig wäre. Verstehst du? Es würde das, was zwischen uns ist, abwerten.«
Deborah legte ihren Arm um Lindsays verspannte Schultern. »Du meinst, du hättest mich benutzt, um dir selbst etwas wegen Cordelia und dir zu beweisen?«
»Sowas ähnliches. Ich glaube, was da zwischen ihr und mir passiert, verwirrt mich. Es hat so gut angefangen – sie vermittelte mir so ein Gefühl von Besonderheit. Noch nie war ich so glücklich gewesen. Sicher gab es auch Probleme, weil sie in London war und ich in Glasgow. Aber es verging keine Woche, in der wir nicht mindestens zwei Nächte zusammen verbrachten, oft mehr, wenn ich mir in London einen Job aufgerissen hatte.
Wir schienen so viele gemeinsame Interessen zu haben – mochten dieselben Filme, dieselben Theaterstücke, lasen die gleichen Bücher. Sie fing sogar an, mit mir wandern zu gehen, obwohl ich es nicht schaffte, sie zum Joggen zu begleiten. Aber all das untermauerte nur die Tatsache, daß ich völlig verrückt nach ihr war. Alles, was mit Sex zu tun hatte, war einfach unglaublich aufregend mit ihr.
Dann zog ich nach London und plötzlich veränderte sich alles. Mir fiel auf, wie viele Dinge es in ihrem Leben gab, an denen ich nicht teilgenommen hatte. In der Zeit, in der wir nicht zusammen waren, traf Cordelia sich mit Leuten, die mich einen feuchten Kehricht interessieren. Sie meinen, mich ständig ihre Überlegenheit spüren lassen zu müssen, weil ihrer Ansicht nach das Leben einer für die Boulevardpresse arbeitenden Reporterin zur niedrigsten Form des Dahinvegetierens gehört.
Diese Bande behandelt mich wie einen gehirnamputierten Affen, den Cordelia irgendwo aufgelesen hat. Und ihr fällt dazu auch nichts Besseres ein als: ›Vergiß sie, sie sind nicht wichtig!‹ Trotzdem verbringt sie einen Großteil ihrer Zeit mit ihnen. Die Leute von der Zeitung mag sie wiederum nicht, und wenn ich mich einmal mit ihnen verabrede, geht sie nicht mit. Und die paar Freunde, die ich außerhalb der Arbeit habe, stammen noch von der Uni. Die passen ganz gut zu Cordelia und ihrer Clique, aber schließlich will ich auch noch etwas mehr vom Leben. Bis jetzt war es allerdings unmöglich, darüber auch nur zu reden.
Zur Zeit sieht es so aus, daß ich einmal alle vierzehn Tage das intensive Gefühl nicht loswerde, daß es Zeit wird, meine Koffer zu packen und auszuziehen. Dann fällt mir wieder alles Positive in Zusammenhang mit ihr ein und ich bleibe.«
Lindsay hörte abrupt auf, zu reden und lehnte
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